Musical ist Brückenschlag in die heutige Zeit

5.4.2013, 11:01 Uhr
Musical ist Brückenschlag in die heutige Zeit

© Wolfgang Fellner

Es ist ein raumgreifendes Musical: In „Hitlerjunge Adolf“ hat Regisseur und Autor Franz Xaver Müller ein Kaleidoskop von gestern und heute, von Nazizeit, Nachkriegszeit und der Realität des 21. Jahrhunderts zusammengefügt. Das begann bereits mit den Arbeiten zum Musical „Der letzte Brief“. Schon da, es war 2006, war Müller, sagt er, auf Neumarkter gestoßen, die den Aufstieg und den Untergang des Dritten Reiches noch hautnah erlebt hatten – vor allem den Untergang. „Manche haben mir Dinge erzählt, die haben sie vorher niemandem erzählt“, sagt er, der gut 30 Zeitzeugen befragt hatte; die Erinnerungen von 20 sind in das Musical eingeflossen.

Und so spann das Team um Franz Xaver Müller und Max Gmelch viele Fäden, die es zu einem großen, bunten, oft auch bedrohlich dunklen Teppich verwob. Drumherum ums Musical tut sich ebenfalls vieles. Neumarkter Schulen bereiteten eine eigene Ausstellung vor, die derzeit im Foyer des Reitstadels zu sehen ist und in der verschiedene Aspekte der Nachkriegs- und Nazi-Zeit anschaulich und interessant ausgeleuchtet werden. Dazu kommt eine Vortragsreihe unter der Obhut des Historischen Vereins, in der verschiedene Aspekte ausgeleuchtet werden.

„Neumarkt stellt sich seiner Vergangenheit“, sagte OB Thomas Thumann bei der Eröffnung der Ausstellung und erinnerte an die vielen einzelnen Schritte, die in den vergangenen Jahren erfolgt sind; beginnend mit „Auferstanden aus Ruinen“ 1995 bis hin zum Buch „Neumarkt in der Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945“, das er in Auftrag gegeben hat. Ergänzt wurde und wird das rein wissenschaftliche Aufarbeiten durch das Musical „Der letzte Brief“, das das Schicksal der im KZ ermordeten jüdischen Neumarkterin Ilse Haas nachzeichnet, und eben jetzt durch die Projektwochen rund um das Musical „Hitlerjunge Adolf“. „Wenn nicht jetzt, wann dann“, sagte der OB, gelte es, die noch lebenden Zeitzeugen zu befragen.

„Ich würde einem Diktator nicht nachlaufen, aber wenn der soziale Druck so groß wäre, würde ich mich wohl einfügen“, zitierte Alois Dorner, Vorsitzender des Musical- und Theatervereins und damit Träger der Aufführung, aus der Ausstellung eine Aussage einer Schülerin aus dem Jahre 2013. Er dankte vor der Eröffnung den vielen Zeitzeugen im Saal, ohne die „das Lehrstück aus der Vergangenheit für die Gegenwart und die Zukunft nicht möglich“ gewesen sei.

„Eine Schirmherrschaft ist für mich immer etwas Tolles, die nehme ich wahr und komme dann auch“, sagte Landtags-Präsidentin Barbara Stamm. In diesem Fall war es aus Berchtesgaden, wo sie gerade Urlaub macht. Sie war zur Vorpremiere angereist; danach ging es wieder nach Oberbayern. Sie hatte seinerzeit den „Letzten Brief“ bei der Vorführung im Gasteig in München gesehen, war damals schwer beeindruckt von der Leistung des Ensembles gewesen. Das hat sich wiederholt.

„Passen wir auf, seien wir wachsam“, sagte Barbara Stamm; „passen wir auf, dass so etwas nie wieder in unserem Namen passiert“, und sie erinnerte an die „schrecklichen NSU-Morde“, die in zwei Wochen verhandelt werden in München. Demokratie und Freiheit müssten verteidigt werden, das Musical sei der Brückenschlag in die heutige Zeit, man müsse alles tun, dass sich die radikalen Kräfte nicht entfalten könnten.

Denn, gestand sie nach dem Ende der Aufführung noch sichtlich bewegt, man müsse aus den Parallelen der Geschichte lernen: Im Stück sei gezeigt worden, wie leicht die Jugend damals wie heute zu verführen sei. Da müsse man immer dagegen halten, „was die Nationalsozialisten angerichtet“ hätten, sei hinlänglich bekannt. Es gelte: „Nie wieder.“

Beängstigende Parallelen zur heutigen Zeit

Da lag die CSU-Politikerin auf einer Wellenlänge mit der stellvertretenden Landrätin und SPD-Kreisvorsitzenden Carolin Braun. Die Parallelen zwischen damals und heute seien mehr als beängstigend nah an der Realität, sagte diese, der das Geschehen auf der Bühne sichtlich unter die Haut gegangen war. Die Rattenfänger von damals gebe es heute wieder, ist die Botschaft.

Nur eine Befürchtung trieb sie, die sich stark im Kampf gegen Rechts engagiert, um: „Was hier gezeigt wird, ist real. Doch viele werden heimgehen und sagen, das ist doch nur ein Musical.“ Und dass zur Sommersonnwende die Neonazis auch im Landkreis wieder ihre Feuer schüren, wolle keiner wahrhaben.

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