„Das ist zu kurz gedacht“

Nach Keiler-Attacke: Landwirte weisen Schuld von sich

18.10.2021, 06:00 Uhr
Auf diesem Acker setzte das Wildschwein seine Flucht in Richtung Pölling fort. Hier wäre ein Abschuss gut möglich gewesen, glauben Landwirt Andreas Huber (links) und Martin Federhofer von der Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaft im BBV.

© Philip Hauck, NN Auf diesem Acker setzte das Wildschwein seine Flucht in Richtung Pölling fort. Hier wäre ein Abschuss gut möglich gewesen, glauben Landwirt Andreas Huber (links) und Martin Federhofer von der Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaft im BBV.

„Es ist falsch und einfach zu kurz gedacht, jetzt mit dem Finger auf uns zu zeigen“, sagt Andreas Huber, dem der Einsiedlerhof oberhalb von Pölling gehört. Er hatte am vergangenen Samstagmorgen sein Maisfeld zwischen Pölling und der Umgehungsstraße abgeerntet, was das Tier zur panischen Flucht bewegte.

Pflichten nachgekommen

Huber ist zudem überzeugt, seinen Pflichten nachgekommen zu sein. „Immer wieder habe ich den Jäger darauf hingewiesen, dass ein großer Keiler, mindestens 150 Kilo, im Maisfeld ist.“ Auch an besagtem Morgen habe er ihn mehrfach angerufen. Als der Jäger schließlich kam, war das Wildschwein längst durch die Pöllinger Gärten marschiert.

Die Begründung, es hätte kein freies Schussfeld und keinen Kugelfang gegeben, will Huber so nicht gelten lassen. „Das mag für das Maisfeld zutreffen, aber auf dem Acker in Hanglage, wo der Keiler heruntergelaufen ist, wäre das kein Problem gewesen“, meint er. „Das hat es früher nicht gegeben“, sagt Huber und ist erstaunt, dass Lothar Sagerer, der Vorsitzende der BJV-Kreisgruppe Neumarkt, keine Wildschweinplage im Landkreis erkennen will. Die Spuren durch Verbiss, Fraß und Wühlschäden, die die Wildschweine bei Huber und seinen Kollegen hinterlassen, sprächen eine andere Sprache.

Die Zahlen dazu liefert Michael Gruber, Kreisobmann des bayerischen Bauernverbands: 17 Prozent der Anbaufläche in der Oberpfalz ist mit Mais belegt, die durchschnittliche Feldgröße beträgt zwei Hektar. Die einzelnen Maisschläge werden tendenziell größer, weil das die Ernte für den Landwirt einfacher und rentabler macht.

40 Prozent im Visier

Dem gegenüber stehen geschätzt zwei Millionen Wildschweine in Deutschland, die in den Maisfeldern Schutz suchen und ein Überangebot an Nahrung finden. Rund 40 Prozent stehen jährlich auf der Abschussliste der Jäger. Das macht etwa 60000 in Bayern.

Grund für die „immer weiter wachsende Population“ sind laut Gruber schrumpfende Lebensräume für das Wild. „Pro Tag werden 13 Hektar, das sind 18 Fußballfelder, versiegelt“, veranschaulicht er. Und dort, wo noch unberührter Wald Zuflucht bietet, stören Spaziergänger und Mountainbiker die Tiere, wenn sie sich abseits der befestigten Pfade bewegen. Vor allem aber seien es die milden Winter, die den Rotten ausreichend Nahrung und den Frischlingen gute Überlebenschancen bieten. Regelrecht gemästet werden sie durch unsachgemäßes Kirren (Locken) der Jäger mit übergroßen Mengen Mais.

Martin Federhofer von der Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften appelliert an die Jäger, das Kirren sehr dosiert einzusetzen. Um mehr Wildschweine zu schießen, rät er stattdessen zu Bewegungsjagden. Bei diesen arbeiten mehrere Jäger und Hunde über Reviergrenzen hinweg zusammen, was den Jagderfolg deutlich erhöhe. Für das Schweineproblem auf den Feldern hält Federhofer sogenannte Schussschneisen für ein probates Mittel, um in größeren Maisschlägen zu jagen. Obwohl das mit Kosten verbunden sei, sieht das auch der Pöllinger Landwirt Andreas Huber als machbar an.

Gute Zusammenarbeit

Er wünscht sich für die Zukunft vor allem eine gute Zusammenarbeit mit dem Jäger. Denn dem müsse alleine schon deshalb daran gelegen sein, die Wildschweine von den Ackerflächen fernzuhalten, weil er ansonsten privat zur Kasse gebeten werden kann: Nach dem Bundesjagdgesetz muss für Wildschäden die Jagdgenossenschaft zahlen. Oft überträgt die Jagdgenossenschaft die Zahlungspflicht aber auf den Jagdpächter, also den örtlichen Jäger. So auch in Pölling.