Neumarkt: Erst überholt er ihn, dann landet er im Acker - und schlägt seinen Helfer

17.11.2020, 13:18 Uhr

Zwei von Amtsrichter Rainer Würth angeregte Unterbrechungen waren nötig, um einen 32-Jährigen davon zu überzeugen, dass angesichts seiner massiven Vorbelastungen nur ein umfassendes Geständnis ihm einen längeren Aufenthalt im Gefängnis ersparen könnte.

Es war am Abend des 30. Mai diesen Jahres. Ein 49 Jahre alter Angestellter war mit seinem Pkw auf der Kreisstraße NM 39 auf dem Heimweg von Neumarkt nach Deining. Bei Unterbuchfeld, so seine Aussage, sei er vom Angeklagten mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit überholt worden. Der Überholende verlor daraufhin die Kontrolle über sein Fahrzeug und landete im Acker.

Der Älter hielt an und wollte nach dem Unfallfahrer sehen, ob er wohlauf sei. Dieser habe seinen Pkw aus dem Feld zurück auf einen Radweg rangiert, sei ausgestiegen, aggressiv auf ihn los gegangen, habe ihn in die Rippen geboxt und mit der Hand oder der Faust ins Gesicht geschlagen. Der Angestellte ging zu Boden, rappelte sich dann aber wieder hoch und rief die Polizei, als sein Unfallgegner einfach davon fuhr.

Die Anklage lautete auf fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung, vorsätzliche Körperverletzung und vorsätzliches Entfernen vom Unfallort. Letzteres, weil durch hochgeschleuderte Kiesel am überholten Fahrzeug ein Schaden von etwa 7300 Euro entstand. Das hatte kurz nach dem Unfall aber weder dessen Fahrer, noch der junge Mann bemerkt. Nicht einmal ein "Kuhauge", eine Abplatzung an der Windschutzscheibe, war aufgefallen. Deshalb wurde der Vorwurf der Unfallflucht fallen gelassen und das Verfahren in diesem Punkt eingestellt.

Dass er am Unfall, schuld sein sollte, mochte der Angeklagte zunächst nicht einsehen. Er sei beim Überholen vom anderen abgedrängt worden und deshalb im Acker gelandet, berichtete er seinem Verteidiger Ralf Peisl. Das würde in gewisser Weise auch seine rüpelhafter Reaktion erklären. Zumal, wie Peisl einwarf, er sich beim Unfall selbst ziemlich weh getan hätte.

Schließlich aber räumte de 32-Jährige Unfallverschulden und die unstrittige Körperverletzung ein. Er bedauere den Vorfall und gelobte, künftig zurückhaltender zu fahren.

Da derzeit noch zwei Reststrafen aus früheren Verfahren offen sind, ist der junge Mann einer Bewährungshelferin unterstellt. Die berichtete zwar, dass er nach einer Reihe von negativen Testes auf Rauschgifte und Alkohol heuer im Sommer rückfällig geworden sei. Doch habe es sich um einen Ausrutscher gehandelt. Durch den Hausbau zusammen mit seiner Freundin, so ihre Vermutung, sei er zu diesem Zeitpunkt unter erheblichem Stress gestanden und habe zu Amphetamin gegriffen. Ansonsten könne sie nur Gutes von ihm berichten. Er sei verantwortungsbewusst und handle eigenverantwortlich. So einen Probanden habe man selten.

Mit Frau, Haus und Job

Thomas Leykam, der Vertreter der Staatsanwaltschaft kam zwar nicht umhin, die sieben meist einschlägigen Voreintragungen im Bundeszentralregister zu erwähnen und die laufenden Bewährungen, doch er stimmte der Bewährungshelferin zu, dass die Sozialprognose günstig sei.

Der junge Mann habe ein Haus gebaut, lebe in einer festen Beziehung, kümmere sich um das Kind seiner Lebensgefährtin und habe einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Daher könne die fraglos notwendige Haftstrafe von einem Jahr nochmal zur Bewährung ausgesetzt werden. Aber fünf Jahre sollten es schon sein, in denen er sich nichts zuschulden kommen lassen darf. Zusätzlich beantragte Leykam eine Führerscheinsperre von einem Jahr. Eventuelle Auflagen stellte er ins Ermessen des Gerichts.

Für seinen Mandanten, so Peisl, sei es wichtig, nicht ins Gefängnis gehen zu müssen und so schnell wie möglich seinen Führerschein wieder zu bekommen. Die Alleinschuld am Unfall einzuräumen, sei ihm nicht leicht gefallen. Von Auflagen bat der Anwalt angesichts der angespannten finanziellen Situation des Angeklagten abzusehen.

In diesem Punkt kam ihm Richter Würth entgegen. Er verurteilte den jungen Mann zu einer Haftstrafe von einem Jahr auf fünf Jahre Bewährung. "Hätten Sie einrücken müssen, wäre all das", so Würth, "was Sie sich durch harte Arbeit in den letzten Jahren aufgebaut haben, kaputt gegangen." Die Führerscheinsperre legte der Richter auf sechs Monate fest.

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