Red Wednesday: Irakischer Priester berichtet von Vertreibung durch den IS

14.11.2019, 06:00 Uhr
Red Wednesday: Irakischer Priester berichtet von Vertreibung durch den IS

© Foto: André De Geare

Und so kam es, dass gestern Abend neben der berühmten Pariser Basilika Sacré Cœur auch das Neumarkter Münster St. Johannes rot angestrahlt wurde, in der Farbe der Märtyrer (wenn es dann auch nur ein zartes Rosa war).

Eine stattliche Zahl Gläubiger machte sich von der Christuskirche aus auf den Weg in die Innenstadt. Vor der Hofkirche und vorm Rathaus stoppte der Zug kurz, um auf das Anliegen des "Red Wednesday" aufmerksam zu machen: auf die Verfolgung und Diskriminierung von Millionen Christen weltweit und überhaupt auf alle, die wegen ihres Glaubens leiden müssen.

Ziel des Marsches war der Münster, dessen Chor nun wirklich blutrot ausgeleuchtte war. Im Verlauf der folgenden Andacht berichtete Father George Jahola über die Situation der christlichen Minderheit im Irak und speziell im Norden des Landes.

Verfolgt und vertrieben

Erst im Sommer wurde in Baghdida (Karakosch), einst die größte die christliche Stadt im gesamten Irak, die Kirche seiner syrisch-katholischen Pfarrei wiedereröffnet. Sie war zuvor vom Islamischen Staat zerstört worden, nachdem die Terrormiliz 2014 die fast vollständig von Christen bewohnte Stadt erobert und alle Nicht-Muslime vertrieben hatte.

Red Wednesday: Irakischer Priester berichtet von Vertreibung durch den IS

© Foto: André De Geare

Seit der Befreiung durch die irakische Armee und christliche Milizen im Oktober 2016 managt George Jahola den Wiederaufbau seiner Heimatstadt. "Unter Saddam Hussein sind die 1,4 Millionen Christen im Irak noch gut behandelt worden", erzählt der 55-Jährige in einem Gespräch mit den NN. Das sozialistische Regime, das den Irak bis 2003 beherrschte, war eher säkular und interessierte sich wenig für Religion, solange es seine Macht nicht gefährdet sah, ergänzt Berthold Pelster von "Kirche in Not", der Pater Jahola als Dolmetscher zur Seite stand.

Mit den Golfkriegen und vor allem nach dem Sturz Saddams wurde der Druck auf die Christen im Land größer. Sie gerieten im Bürgerkrieg der Sunniten und Schiiten, der zwei Hauptrichtungen des Islams, zwischen die Fronten. "Sie wurden gekidnapped, um Lösegeld zu erpressen. Viele wurden auch getötet", sagt George Jahola. Deshalb flüchteten viele ins Ausland, nach Jordanien, in den Libanon, auch in den Westen. Allein Baghdida verlor in dieser Zeit ein Drittel seiner 50 000 Einwohnern. Als die IS-Kämpfer dann die Stadt einnahmen, flüchteten viele der Verbliebenen ins kurdische Gebiet um Erbil.

Bombenfabrik in der Kirche

Die Eroberer bezogen christliche Häuser und zweckentfremdeten Kirchen als Lazarette oder Munitionsfabriken. Ein Gotteshaus sollen sie sogar als Schießstand mit Schaufensterpuppen verwendet haben.

Beim ihrem Rückzug rund zwei Jahre später zerstörte der IS zahlreiche Gebäude, brannten Kirchen nieder, auch die von Jaholas Gemeinde. Dank internationaler Hilfe und des großen Einsatzes der zurückgekehrten Einwohner wurde St. Benjamin und Sara nun wiederhergestellt.

Nach der Rückeroberung kehrten bislang rund 800 christliche Familien wieder nach Baghdida zurück. Stadtteil für Stadtteil baue man nun wieder auf, sagt der Priester. "Wir haben erst einmal die Schäden an allen 7000 Häuser dokumentiert und die Kosten berechnet."

Im Mai 2017 startete er mit vielen Freiwilligen die Kampagne zum Wiederaufbau der gesamten, christlich geprägten Ninive-Ebene, finanziert vor allem von NGOs und christlichen Organisationen. ",Kirche in Not‘ war eine der ersten, die dort geholfen hat", sagt Florian Ripka, der Geschäftsführer des Hilfswerks.

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