Abgase

Schadstoffe: Ausnahmegenehmigung für Pfleiderer in Neumarkt

29.8.2021, 10:42 Uhr
Die Firma Pfleiderer kann im Spanplattenwerk in Neumarkt die EU-Emissionsgrenzwerte für Formaldehyd, TVOC und Methanol nicht einhalten. 

© Foto: Roland Fengler Die Firma Pfleiderer kann im Spanplattenwerk in Neumarkt die EU-Emissionsgrenzwerte für Formaldehyd, TVOC und Methanol nicht einhalten. 

Die Firma Pfleiderer kann bei der Spanplattentrocknung im Werk in der Ingolstädter Straße auch weiterhin nicht die für Industrieanlagen gültigen EU-Emissionsgrenzwerte für Formaldehyd und TVOC (flüchtige organische Kohlenstoff-Verbindungen) einhalten und hat deshalb beim Landratsamt eine Ausnahmegenehmigung beantragt. Die Behörde will dem in Abstimmung mit dem Landesamt für Umwelt stattgeben, allerdings befristet bis Ende 2022. Die Gesundheit der Nachbarschaft und der Umwelt sei nicht in Gefahr, heißt es in dem nun im Amtsblatt veröffentlichten Bescheidsentwurf, gegen den noch Einsprüche möglich sind.

Die frischen Spanplatten setzen während der Trocknung Formaldehyd frei. Formaldehyd ist ein Bestandteil des Klebstoffs, der die Holzspäne zusammenhält. 2014 hat die EU den Stoff in die Kategorie „wahrscheinlich beim Menschen karzinogen (krebserzeugend)“ eingestuft. Seit 2020 gilt für Produktionsanlagen ein Grenzwert von zehn Milligramm Formaldehyd pro Kubikmeter Abluft. Bei Pfleiderer ist es auch mit der neuen Anlage das Doppelte. Ähnlich ist die Situation bei den TVOC: Der Grenzwert liegt bei 200 Milligramm pro Kubikmeter Abluft, Pfleiderer hat beantragt, das Doppelte ausstoßen zu dürfen.

Antrag von 2019

Bereits am 25. November 2019 hat die Firma Pfleiderer deshalb beim Landratsamt Neumarkt die Festlegung weniger strenger Emissionsgrenzwerte im Abgas der vier indirekten Spänetrockner beantragt, und zwar 400 mg/m3 für den Parameter TVOC und 20 mg/m3 für Formaldehyd. Begründung: Aufgrund der technischen Gegebenheiten der Anlage könnten die vorgesehenen Grenzwerte nicht eingehalten werden. Man habe verschiedene Maßnahmen zur Emissionsminderung untersucht, es könnten jedoch "mit vertretbarem Aufwand keine Maßnahmen ergriffen werden, welche zu einer dauerhaft gesicherten Einhaltung der ursprünglich vorgesehenen Grenzwerte führen", so der Text im Amtsblatt. Die jetzt beantragten, erhöhten Grenzwerte könnten jedoch "dauerhaft und sicher" eingehalten werden, verspricht die Firma. Dies sei bereits seit Januar 2020 der Fall. Vom Landesamt für Umwelt begleitete Messungen im Oktober 2020 und im April 2021 haben dies bestätigt.

Dazu trägt unter anderem eine neue Harnstoffdosieranlage bei, welche die Formaldehydemissionen mindert. Dabei wird vor der Trocknung auf die Nass-Späne Harnstoffgranulat gegeben. Zudem wird beleimtes, unausgehärtetes Material, das einen hohen Formaldehydgehalt besitzt, der bei der Spänetrocknung freigesetzt würde, nun erst nach der Spänetrocknung in den Produktionsprozess eingeführt.

Vorteile der indirekten Trocknung

Die Firma führt zahlreiche Vorteile der von ihr eingesetzten indirekten Spänetrocknung an, etwa eine hohe Energieeffizienz durch Nutzung der Abwärme des Biomasseheizkraftwerks, Einsatz von trockenem Recyclingholz statt feuchtem Frischholz, geringen Wärmeverlusten, da der Abgasvolumenstrom bei niedriger Temperatur deutlich geringer sei wie bei einer direkten Trocknung, sowie ein geringer Energieverbrauch. Der Nachteil sei allerdings die erhöhte Schadstoffkonzentration im Abgas, da der Abgasvolumenstrom minimiert ist, faktisch nur halb so groß wie bei der - mittlerweile üblichen - direkten Trocknung.

Dazu erklärt Landkreissprecher Michael Gottschalk auf Nachfrage der Neumarkter Nachrichten: "Mit einer direkten Trocknung könnten die Grenzwerte pro Kubikmeter Abluft zwar eingehalten werden, der Abgasvolumenstrom wäre aber doppelt so hoch. Das wäre also keine Verbesserung."

"Technologisch begründet"

Auch Stefan Göldner, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Pfleiderer, verteidigt die Ausnahmegenehmigung: "Die Zulassung solcher Ausnahmen ist im europäischen Umweltrecht ausdrücklich erlaubt, wenn dies technologisch begründet und gleichzeitig ein hohes Umweltschutzniveau gewährleistet ist. Dies trifft für Neumarkt zu, da durch die installierte Technik ein deutlich geringeres Abluftvolumen als üblich gegeben ist, mit dem die Emissionsgrenzwerte wieder kompensiert werden." Solche Anträge, so Göldner, seien auch von vielen anderen Holzwerkstoffherstellern in Deutschland gestellt worden und seien Thema in mehreren Bund-/Länderbesprechungen unter Federführung des Umweltbundesamtes gewesen. "Es wurde festgestellt, dass die gestellten Ausnahmeanträge der Holzwerkstoffhersteller in Deutschland gerechtfertigt und begründbar sind und diese Ausnahmen gewährt werden sollen."

Eine Umrüstung auf direkte Trocknung, so argumentiert Pfleiderer weiter, "scheidet praktisch komplett aus aufgrund völliger Unverhältnismäßigkeit". Fazit: "Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit dem vorhandenen Trocknungskonzept der indirekten Trocknung in Verbindung mit dem Nasselektrofilter und der Kraft-/Wärmekopplung am Standort Neumarkt eine Investition getätigt wurde, die auch heute noch als beste verfügbare Technik angesehen werden kann."

Gutachter: Kein Schaden für die Umwelt

Dem Antrag der Firma Pfleiderer liegt eine Immissionsprognose für Formaldehyd eines Gutachters bei. Der kommt zu dem Schluss, dass mit dem Auftreten schädlicher Umwelteinwirkungen auch bei einem Grenzwert von 20 mg/m3 nicht zu rechnen sei. Die Behörden stellen aufgrund all dessen fest, dass die Ausnahmegenehmigung erteilt werden könne: Die technische Anlage der Spänetrocknung der Firma Pfleiderer in Neumarkt sei "ausreichend und geeignet, um die Gesundheit der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu gewährleisten".

Der Bescheid soll mit der Auflage ergehen, dass die Firma Pfleiderer jeweils bis zum 30. November 2021 und zum 30. September 2022 einen schriftlichen Bericht vorzulegen hat, welche Maßnahmen ergriffen werden beziehungsweise wurden, um die Emissionsgrenzwerte für TVOC von 200 mg/m3 und für Formaldehyd von 10 mg/m3 einhalten zu können. Alle halbe Jahre müssen Messungen erfolgen.

Unterlagen liegen aus

Der Bescheidsentwurf und die dazugehörigen Unterlagen liegen noch bis 20. September im Landratsamt, 2. Stock, Zimmer 217 aus. Einwendungen gegen die nachträgliche Anordnung der erhöhten Grenzwerte können bis einschließlich 20. Oktober vorgebracht werden.

Ein ähnlich komplexer Antrag der Firma Pfleiderer auf Erhöhung der Emissionsgrenzwerte für Methanol liegt für die Pressenabgase der Spanplattenfertigung vor. Diesem hat das Landratsamt befristet bis Ende 2023 stattgegeben.​​​​​​​ Gegen diesen Bescheid ist nur noch Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg möglich.

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