Solarbranche erleidet eine "Blutgrätsche" des Bundes

1.12.2018, 06:25 Uhr
Solarbranche erleidet eine

© Foto: Armin Weigel/dpa

"Die gesamte Branche ist in heller Aufregung", berichtet der Photovoltaik-Projektentwickler Schmid auf Anfrage der Neumarkter Nachrichten. Hals über Kopf versuchen nun viele Solarfirmen, sich Zellen, Ausrüstung und Material zu sichern, um vor einem drohenden Stichtag Anlagen ans Netz gehen zu lassen. Andere Unternehmen platzieren vorsorglich Bestellungen oder stornieren sie wieder. Weitere Firmen rufen Lieferungen nicht ab, weil sie die Flinte schon ins Korn geworfen haben. Gleichzeitig bangen Investoren, ob der hereinbrechende Winter und die Minustemperaturen die geplanten Baumaßnahmen zulassen.

Willkür aus Berlin?

Was ist geschehen? Anfang November ist ein Referentenentwurf des Berliner Wirtschaftsministeriums für ein Energiesammelgesetz bekannt geworden. Neben zahlreichen Regelungen zum Bau von Alternativ-Energieanlagen sah der Gesetzentwurf vor, schon zum 1. Januar die Einspeisungsvergütung für Solarstrom von 10,36 Cent auf 8,33 Cent pro Kilowatt/Stunde abzusenken. Betroffen wären vor allem mittelgroße Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen von 1000 bis 5000 Quadratmeter. Die Vergütung hätte dann exakt das Niveau von viel preisgünstiger zu erstellenden Freiflächen-Anlagen erreicht. Eine Begründung für diese Einschnitte sieht Armin Schmid von Windpower nicht und spricht von "Willkür". Zahlreiche Projekte würden nun auf der Kippe stehen. In den nächsten Wochen werde sich zeigen, ob die Winterbaustellen durchgezogen werden können. Windpower beispielsweise habe gegenwärtig 15 Projekte in der Planung und werde versuchen, fünf Vorhaben vorzuziehen. Die restlichen zehn würden laut Projektentwickler Schmid erst einmal nicht weiterverfolgt.

Es hat den Anschein, dass das Bundeswirtschaftsministerium bewusst eine schnelle gesetzliche Änderung will, um genau die schnelle Inbetriebnahme von Anlagen zu den alten Konditionen zu verhindern. Das Ministerium begründet die Einschnitte laut Pressemitteilung mit dem EU-Beihilferecht und einer drohenden "Überförderung" von Solaranlagen.

Hintergrund: Durch das Ende von Schutzzöllen auf ausländische Solarmodule ist nach Branchenangaben der Preis für die Zellen seit 1. September um 20 Prozent gesunken. Die Sonnenstrom-Investoren rechnen allerdings vor, dass diese Verbilligung am Ende nur zu etwa sechs Prozent in die Anlagenkosten einfließt.

Windpower in Regensburg ist ein gebranntes Kind: Durch die Seehofersche 10-H-Regelung für den Abstand von Windrädern zur nächsten Wohnbebauung hatte das etablierte Unternehmen den namensgebenden Geschäftszweck, die Windkraft, komplett in den Wind schreiben müssen und sich in der Folge auf Photovoltaik konzentriert, wo jetzt auch die massiven Einschnitte drohen.

Das Regensburger Unternehmen hat sich deshalb zum Sprecher der gesamten Branche gemacht und einen "Brandbrief zum Entwurf des Energiesammelgesetzes" geschrieben — und zwar an alle Bundestagsabgeordneten. Darin warnte die Windpower-Belegschaft vor einem drohenden Einbruch beim Zubau der Erneuerbare-Energie-Anlagen und appellierte an die Volksvertreter, die angedrohte Kürzung sein zu lassen. Dies sei eine "Hauruck-Aktion", die das Vertrauen in die Bundesregierung weiter erschüttern würde.

In dem Brief ist von einem drohenden "Aussteig" aus den erneuerbaren Energien die Rede. Der Wegfall der Importzölle sei "eingepreist", weil ja bereits seit September die Einspeisungsvergütung für Solarstrom ohnehin monatlich um einen Prozent sinke. In dem Schreiben an die MdB wird die Forderung erhoben, auf diese "destruktive und kurzsichtige Politik" zu verzichten, die einmalige Vergütungskürzung aus dem Gesetzentwurf wieder zu streichen und auch die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für den Eigenverbrauch von Alternativstrom abzuschaffen.

Abgeordnete haben reagiert

In Berlin ist der Brief aus Regensburg offenbar nicht ohne Wirkung geblieben: Armin Schmid von Windpower berichtet von sehr positiven Reaktionen von knapp 40 Bundestagsabgeordneten. Im Laufe der Woche ist bekannt geworden, dass im Wirtschaftsausschuss des Bundestages heftig darum gerungen worden ist, die Kürzungen bei der Solarenergie abzumildern. Zwischenstand: Die Kürzung der Einspeisungsvergütung soll nicht zum 1. Januar, sondern in drei Stufen jeweils Anfang Februar, März und April kommen und am Ende nicht bei 8,33 Cent, sondern bei 8,9 Cent liegen. Die Kürzung der Vergütung würde damit nicht rund 20 Prozent, sondern etwa 15 Prozent betragen.

Für Armin Schmid von Windpower bedeutet das noch keine Entwarnung: "Das macht keinen großen Unterschied."

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