Tiefflieger nehmen Pavelsbach ins Visier

21.4.2015, 14:37 Uhr
Tiefflieger nehmen Pavelsbach ins Visier

Im Fleischmichl-Haus, dem kleinen Dorfmuseum von Pavelsbach, ist eine Dachkammer dem schlimmsten Tag in der Dorfgeschichte gewidmet. Auf einer Flurkarte sind die 57 zerstörten Häuser und Scheunen rot markiert. Weit mehr ans Herz gehen aber die Dokumente an der Längswand: Hierin berichten Augenzeugen, damals noch Kinder, vom Tod ihrer Schwester, ihres Bruders, ihrer Lehrerin.

Samstag, 21. April 1945: Der Kampf um Neumarkt tobt (siehe Artikel unten). Die Pavelsbacher lauschen besrogt dem Geschützdonner auf der anderen Seite des Tyrolsberg. Aber selbst Angriffsziel zu werden, daran denkt keiner im Dorf. Das denken auch nicht die Flüchtlinge aus Heng und Köstlbach, die sich vermeintlich aus der Schusslinie an der umkämpften Hauptstraße gebracht haben.

Doch dann erregen versprengte SS-Einheiten auch in Pavelsbach die Aufmerksamkeit der US-Streitkräfte. Gegen halb zwei nachmittags schlagen die ersten Granaten ein. Die Leute flüchten in ihre Keller. „Ich lag mit dem Rücken auf den Kartoffeln und starrte zur Decke, von der bei jedem nahen Einschlag eine Staubwolke herunterkam“, erinnert sich eine Pavelsbacherin.

Tiefflieger nehmen Pavelsbach ins Visier

© Fotos: Damm

Dann kommen die Tiefflieger. Sie werfen Brandbomben ab und schießen mit den Bordwaffen auf alles, was sich bewegt. Zum Beispiel auf Niklaus Kleesattl. Der 16-Jährige rennt aus dem Hof, er sucht seine kleine Schwester. Das Kommunionkind war auf dem Weg zur Kirche. Ein deutscher Soldat schleppt es in ein Haus und verfrachtet es in einen voll besetzten Keller. Dort hört es jemanden sagen: „Den Niklaus hat es erwischt.“

Draußen auf der Straße, vor den Augen seines Cousins, ist der junge Bursche von Gewehrsalven getroffen worden. Zweieinhalb Stunden lebt er noch, dann stirbt er in den Armen seiner herbeigerufenen Mutter, verblutet. Am Abend bahrt die Familie den Leichnam in der Stube auf, beerdigt werden kann er erst fünf Tage später.

Winziges Loch hinterm Ohr

Nicht weit davon entfernt brennt ein Stall. Die Besitzerfamilie hat gerade die Tiere in Sicherheit gebracht, als auf dem Rückweg zum Haus eine Granate in nächster Nähe einschlägt.

Tiefflieger nehmen Pavelsbach ins Visier

Vater, Mutter, Kinder scheinen alle unverletzt. Doch bemerkt die zehnjährige Maria Fries kurz darauf einen leichten Schmerz hinter dem Ohr: Dort hat ein Splitter ein stecknadelkopfgroßes Loch hinterlassen. Am Abend verliert das Mädchen das Bewusstsein, wacht später aber wieder auf und fühlt sich zunächst besser. In der Nacht zum 24. April jedoch stirbt Maria an ihrer Verletzung.

Am Tag vor dem Angriff hatte Franziska Baier ihren 57. Geburtstag. Die beliebte Dorflehrerin flüchtet sich ins Haus einer befreundeten Hebamme, wähnt sich im fensterlosen Flur sicher. Doch der Splitter einer draußen niedergehenden Granate durchschlägt die Haustür und reißt der gebürtigen Moosburgerin den linken Arm ab. Der Hebamme und deren Tochter gelingt es, die starke Blutung zu stillen, deutsche Soldaten bringen die verwundete Frau ins Berchinger Lazarett. Dort stirbt sie am 3. Juli.

Tiefflieger nehmen Pavelsbach ins Visier

Eine 19-Jährige erleidet eine Verletzung durch eine Splitterbombe, wodurch ihr restliches Leben schwer beeinträchtigt wird. Das letzte, indirekte Opfer des Angriffs ist, Monate später, Xaver Schmidt: Der „Deßsaber“ macht die Betondachziegel für die zerstörten Gebäude, atmet dabei hochgiftige Dämpfe ein und stirbt im November 1945 mit nur 54 Jahren.

Des Fliegerangriffs gedenken wird das Dorf im Sonntagsgottesdienst am 26. April in St. Leonhard. Im Anschluss ist das Fleischmichl-Haus mit der kleinen Ausstellung geöffnet.

Gedenken an die Zerstörung Postbauers: Ökumenischer Gottesdienst am Dienstag, 21. April, um 19 Uhr in St. Johannes in Postbauer; im Anschluss erläutert Heimatpfleger Hans Bradl das Kriegsgeschehen mit vielen Bildern.

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