Fünf Tage Schmerzen

Tritt in die Kronjuwelen: Frauentrio vor dem Neumarkter Gericht

15.7.2021, 15:49 Uhr
Im Neumarkter Amtsgericht standen drei Frauen vor dem Kadi, weil sie einen jungen Mann in den Schritt getreten hatten.

© Colourbox.de Im Neumarkter Amtsgericht standen drei Frauen vor dem Kadi, weil sie einen jungen Mann in den Schritt getreten hatten.

Wer zugetreten hatte, blieb unklar - und das Verfahren vor dem Jugendgericht Neumarkt wurde gegen Auflagen eingestellt.

Zwei junge Frauen und die Mutter einer der beiden drückten coronagerecht mit Abstand die Anklagebank vor dem Jugendgericht Neumarkt. Gefährliche Körperverletzung wurde ihnen vorgeworfen, weil die Jüngste des Trios eine gemeinsame Handgreiflichkeit mit einem jungen Mann mit einem Tritt in die Kronjuwelen besiegelt haben sollte.

Dass die vielleicht kurzzeitig sehr schmerzhafte Auseinandersetzung vor dem Kadi landete, lag am Zwist zweier Familien aus unterschiedlichen Ländern in Vorderasien, die im gleichen Haus in Neumarkt untergebracht waren. Der Vater des jungen Mannes brachte diesen dazu, bei der Polizei Anzeige zu erstatten und sich einen kleinen Kratzer am Hals von einem Arzt attestieren zu lassen.

Zoff schon am Vortag

Es lag aber auch an dem jungen Mann, dass Richter Marcel Dumke die ganze Angelegenheit als minder schweren Fall einstufen konnte und schließlich, nach Absprache mit Staatsanwältin Sabrina Mieller, die Verfahren gegen die drei Frauen, zum Teil gegen Auflagen, einstellte.

Die 20-Jährige hatte zusammen mit einer zwei Jahre älteren Freundin, die bei ihr Unterschlupf gefunden hat, ihre Mutter in Neumarkt besucht. Tags zuvor hatte es Zoff mit den Nachbarn gegeben. Der Zutritt ins Wohnhaus wurde den beiden mit Verweis auf Corona verwehrt. Also traf man sich vor der Tür auf der Straße.

In diesem Moment fuhr der junge Mann als Beifahrer im Wagen seines Onkels vor. Er habe sich nicht weiter was gedacht und nur ins Haus gehen wollen, um einen Schluck Wasser zu trinken, erklärte er als Zeuge.

"Begehrliche" Musterung?

Die Frauen hatten eine andere Erinnerung. Der gerade mal 14-Jährige habe die 22-Jährige sehr begehrlich gemustert. Daraufhin sei ihm gesagt worden, er solle das bleiben lassen. Die Frauen, aber auch der Dolmetscher zierten sich, die Worte, die da angeblich auf arabisch gefallen waren, mehr als sinngemäß zu übersetzen.

Erfahrungsgemäß folgt einem universellen Satz wie „schau nicht so blöd“ eine entsprechende Antwort. Die hätten sie als respektlos empfunden, räumten alle drei Angeklagten ein. Es stimme, die 22-Jährige habe den Burschen am Hals gepackt und ihre jüngere Begleiterin einen Fußtritt ausgeteilt. Ihn in den Unterleib zu treten, sei aber nicht ihre Absicht gewesen. Dazu sei es auch nicht gekommen.

Fünf Tage Schmerzen im Unterleib

Ein fünf Tage schmerzender Hoden erzähle etwas anderes , erklärte der junge Mann vor Gericht. Allerdings konnte er nicht sagen, welche der Frauen ihn an dieser empfindlichen Stelle getroffen hatte und auf Nachfrage von Richter Marcel Dumke zeigte er auch kein Interesse an einer weiteren Strafverfolgung. Es reiche, dass sie vor Gericht erscheinen hatten müssen.

Die 44 Jahre alte Mutter der Jüngsten war nach Ansicht von Richter und Staatsanwältin an der Rangelei nur ganz am Rande beteiligt. So stellte Richter Dumke das Verfahren gegen sie ohne Auflage ein und sie konnte ihren Platz auf der Anklagebank gegen einen Stuhl im Zuschauerraum tauschen.

Hervorragendes Zeugnis für "Hauptangeklagte"

Der Hauptangeklagten, wenn man so will, stellte Natalia Welzl von der Jugendgerichtshilfe ein hervorragendes Zeugnis aus. Die junge Frau kam mit 14 Jahren zusammen mit den Eltern und drei Brüdern nach Deutschland. Als die Mutter sich von ihrem Mann trennte, schmiss sie den Haushalt fast alleine, lernte fleißig und ist inzwischen in der Ausbildung zu einer Fachkraft. Sie hat eine eigene Wohnung und sorgt auch finanziell für ihre Freundin aus dem Maghreb, deren Asylverfahren noch in der Anlaufphase steckt.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich die beiden jungen Frauen den Burschen, weil sie sich über dessen Respektlosigkeit geärgert hatten, vorgeknöpft hatten. Richter Dumke und Staatsanwältin Mieller gingen davon aus, dass den Handgreiflichkeiten eine Provokation vorausgegangen war.

300 Euro an Kindergarten

Deshalb konnten die Verfahren zwar eingestellt werden, aber nicht ohne Auflagen. Die 20-Jährige, die über ein kleinen Einkommen verfügt, muss 300 Euro in Raten von 50 Euro an den Kindergarten in Kastl zahlen, ihre Freundin 30 Arbeitsstunden leisten. Dafür findet sich von dem Vorfall nichts im Führungszeugnis und auch das Bundeszentralregister bleibt frei von Vorstrafen.