Wandel der Bestattungskultur ist spürbar

1.11.2014, 06:00 Uhr
Wandel der Bestattungskultur ist spürbar

© Michael Müller

Auf dem Land ist „die Welt noch in Ordnung“. Zumindest geht hier der Trend noch nicht so stark in Richtung Feuerbestattung wie in den Städten. In Neumarkt werden inzwischen über 70 Prozent der Verstorbenen eingeäschert – Tendenz weiter steigend.

„Die Urnengräber werden mehr, die normalen Gräber werden kleiner“, stellt Heiner Zuckschwert, städtischer Friedhofsreferent und selbst Inhaber eines Gärtnereibetriebs, lapidar fest. In ganz Mitteleuropa habe sich im Laufe der Zeit die Bestattungskultur verändert, meint Zuckschwert. Vor 30 Jahren seien beispielsweise Feuerbestattungen noch die Ausnahme gewesen.

Schlicht und schmucklos

Wandel der Bestattungskultur ist spürbar

© Fotos: Michael Müller

„Es braucht eine gewisse Achtung vor dem Tod“, sagt Zuckschwert mit Nachdruck. Es könne keineswegs angehen, dass es einerseits sogar Friedhöfe für Tiere gebe, Menschen aber „entsorgt“ und anonym beerdigt würden. „Sie geben die Urne des Verstorbenen ab und wissen dann nicht einmal, wo sie beigesetzt wird — das kann nicht sein“, klagt Zuckschwert. Um die Menschen zu sensibilisieren, würden bei Altennachmittagen auch Vorträge über Sterbekultur gehalten. Zumal Friedhöfe nicht zuletzt schweigende Dokumente für das Dasein vergangener Generationen seien.

Immerhin: „Auf Neumarkts sieben Friedhöfen wird meist noch ordentlich bestattet“, weiß Zuckschwert. Was der Holzheimer Bestatter Lorenz Häusler bestätigt. Allerdings gehe die Tendenz — egal ob Feuer- oder Erdbestattung — zur schlichten, schmucklosen Feier ohne großen Aufwand, wenngleich es auch die „große Beerdigung“ nach wie vor gebe — vor allem auf dem Land. „Da dürfen es auch mal acht Blumenschalen, Kränze und Herzen sein — je nachdem, wie beliebt die Verstorbenen bei ihren Mitmenschen waren“, plaudert Häusler aus der Praxis des Bestattungsbetriebs.

Loni Ferstl, Mitarbeiterin beim Neumarkter Bestattungsunternehmen Pirzer, registriert zudem, dass die Bindung der Menschen zu den christlichen Kirchen abnimmt: „Es gibt deutlich mehr nichtkirchliche Bestattungsredner als früher“, so Ferstl, die allerdings manchmal auch den gegensätzlichen Effekt wahrnimmt: Leute, die zu Lebzeiten aus der Kirche ausgetreten waren, bestehen darauf, dass sie von einem Geistlichen ausgesegnet und beigesetzt werden.

Wandel der Bestattungskultur ist spürbar

© Foto: Fritz-Wolfgang Etzold

Der katholische Dekanatsreferent Christian Schrödl bestätigt die zunehmende Distanz zu den großen christlichen Kirchen. Diese sei unter anderem daran ablesbar, dass die Teilnehmer bei der Totenmesse, dem Requiem, nicht wüssten, wann sie aufzustehen und sich hinzusetzen hätten. „Das ist für viele Geistliche unangenehm und kann als klares Indiz dafür gelten, dass viele Menschen keinen Bezug mehr zur Kirche und ihren Ritualen haben“, sagt Christian Schrödl kritisch.

Geistliche unerwünscht

Pfarrer würden von vielen auch nicht mehr als ernst zu nehmende Gesprächspartner akzeptiert. Dabei sieht Schrödl durchaus das Bemühen der Geistlichen, auf die Menschen zuzugehen und auf ihre besondere Situation — gerade in Zeiten des Verlustes und der Trauer — einzugehen.

„Das ist aber nicht immer im gewünschten Maß möglich“, gibt Schrödl zu. Zieht man dazu ins Kalkül, dass die Mitglieder mancher Familien inzwischen über den gesamten Erdball verstreut sind und sich von ihren Verwandten nicht persönlich verabschieden können oder wollen, dann verwundert es auch nicht mehr, wenn Beerdigungen kleinformatiger und unpersönlicher werden.

Oft werden mittlerweile sogar Stelengräber üblichen Grabformen vorgezogen. Auch hier ist der Hintergrund klar: Eine solche Ruhestätte kommt mit minimaler Pflege aus, man muss sich um ein solches Grab praktisch kaum kümmern.

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