Wo Biber und Sprache satt machen

7.4.2010, 00:00 Uhr
Wo Biber und Sprache satt machen

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Mundart kommt aus dem Herzen, heißt es. Grete Pickl hat ihr Herz geöffnet und gedichtet: »Schmeckt’s?» heißt ihre Gedichtsammlung zu Themen rund ums Essen. Fast gleichzeitig hat ihr jüngster Sohn ebenfalls ein Buch geschrieben, ein akademisches, hervorgegangen aus seiner Magisterarbeit. Darin befasst er sich mit einem handgeschriebenen Kochbuch aus dem Jahr 1748, das sein Vater bei Renovierungsarbeiten im Kastler Haus fand.

»Braot heraß, Butta off, Honig off, Messa tropft, Bredl picht. Bou fuart.» Ein Gedicht von Grete Pickl aus Kastl: Wer oberpfälzisch kann, sieht den Buben vor sich, der sich ganz schnell ein Honigbrot geschmiert und alles offen stehenlassen hat, das Brett klebt noch, aber das Kind ist schon nicht mehr zu sehen.

Die Familie Pickl in Kastl ist eine kunstsinnige Familie: Grete Pickl dichtet seit 1983 in Mundart. Ihr Mann Georg Pickl ist im Brotberuf Schuster, gemeinsam hatte das Ehepaar bis Anfang März das Kastler Schuhgeschäft, das aber neben Schuhen auch Honig der eigenen Bienen, Bücher und so manch anderes feilbot – Fotos etwa: Denn Georg Pickl ist Fotograf. Die Kamera umgehängt wandert und radelt er durchs Lauterachtal und die Umgebung, er hat ein Foto-Archiv von Kastl zusammengetragen, in »Schmeckt’s?» sind viele Schmuckstücke neben den Texten zu sehen.

Die drei Kinder haben ihr geistiges Erbe angetreten: Simon Pickl ist Sprachwissenschaftler und Volkskundler, Michael Pickl ist Holzbildhauer, Helen Pickl Kommunikationsdesignerin. Manche Texte in »Schmeckt’s?» sind kurz und krachert, wie »Vernissage»: »Schöi homs gredt, lang homs gredt. Olle hom zoulusn müin, hom hiwoartn müin afs kolte Biffee.» Aber auch kleine Mundart-Erzählungen sind dabei.

Oberpfälzisch ins Wörterbuch

Das Buch von Grete Pickl macht Lesende satt, die sich an ihren blitzenden Gedanken freuen, prägnant in lyrische Form gegossen. Lesende, die sich auf niedergeschriebenen Dialekt einlassen wollen. Die Autorin, in Lauterhofen geboren, hört genau hin: Als Gewährsperson für das Bayerische Wörterbuch ist sie eine Lieferantin für oberpfälzische Wörter und Redewendungen.

Ebenfalls mit Fragen des Dialekts hat sich Simon Pickl in seiner Magisterarbeit befasst. »Das Kochbuch für Maria Annastasia Veitin» ist die kommentierte Edition einer Kochbuchhandschrift aus dem Jahr 1748. Diese hat Georg Pickl beim Renovieren einer durchhängenden Decke gefunden: Als er nach oben griff, ertastete er ein Gebetbuch und die Handschrift der Rezepte.

Als Simon Pickl, inzwischen Uni-Mitarbeiter in Augsburg, nach einem Thema für seine Abschlussarbeit suchte, kam er auf das alte Kochbuch, seine Professorin war einverstanden. Zuerst musste er sich durch die Handschrift arbeiten, sich mit dem Backhandwerk anwärmen – »ich koche schon gern, aber Backen ist nicht so meins» – und dann den Text mit Anmerkungen versehen, etwa, dass ein Rezept eindeutig aus einem anderen Kochbuch stammt. Ein Glossar listet inzwischen ungebräuchlich gewordene Ausdrücke auf. Da gibt es Fundstücke zu entdecken wie »Bitzelein» für eine dünne Scheibe oder »Latwerge», eine Art dicker Sirup als Arznei oder zum Genuss.

Das Kochbuch beinhaltet vor allem Rezepte für Süßspeisen, für Eingemachtes und einen kleinen Teil für Fleisch und Fisch. Die Zutatenliste zeigt, dass die Rezepte nur in einem wohlhabenden Haushalt Anwendung finden konnte: Von Olivenöl ist die Rede, Ingwer, Rohrzucker, Mandeln und Pomeranzen zählen zu den – damals exotischen und teuren – Ingredienzen.

Biberschwanz als Delikatesse

Grete Pickl hat einmal einen Getreidebrei nachgekocht. »Kannst vergessen», lautet ihr Urteil. Helen Pickl, die Schwester des Autors, hat sich an einer Torte versucht. »Mei, war die bichert, viel zu viel Zucker», erinnert sich Grete. Eventuell ist in den Rezepten viel Zucker angegeben, um zu zeigen: »Wir können uns das leisten, so viel Zucker zu verwenden», erklärt der Autor.

Ihn würde das Biberschweif-Rezept interessieren: Schweif oder Füße des Bibers werden von Haut und Haaren befreit, mit Semmelbröseln, Brühe, Ingwer und Salz soll ein wohlschmeckendes Essen entstehen. Doch in Ermangelung von jagdbaren Bibern lässt der 27-Jährige sich lieber saure Gurken schmecken und schreibt gerade an seiner Doktorarbeit. Darin befasst er sich mit der räumlichen Verbreitung von Dialektwörtern.

Grete Pickls Buch »Schmeckt’s?» vom Verlag Bodner Pressath gibt’s für 14,90 Euro. Simon Pickls Werk »Das Kochbuch für Maria Annastasia Veitin» ist im Verlag Bayerische Schriften zur Volkskunde erschienen, es kostet 15 Euro.