Zoff im Neumarkter Altenhof: Rechts vor links oder Vollgas

26.3.2016, 20:12 Uhr
Zoff im Neumarkter Altenhof: Rechts vor links oder Vollgas

© Foto: Fellner

Am Anfang war ein Blechschaden. Ein Neumarkter war im Januar 2015 frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit. Er rollte aus der Stichstraße im Altenhof, in der er wohnt, langsam Richtung Mussinanstraße, wollte einbiegen. Rechts vor links heißt es hier, er hat also Vorfahrt.

Der Mann sah von links ein Auto kommen, das vor der Kreuzung auch noch langsamer wurde. Der hält an, dachte er, und bog ein. Angehalten hat der andere nicht und krachte ihm in die Seite. Der Schaden lag unter 3000 Euro; nichts Tragisches also, die Versicherung zahlt das.

Tat sie aber nicht. Es kam zum Zivilprozess, in dem der junge Mann Wiedergutmachung forderte. Vor Gericht sagte der anderer Fahrer offen, dass er wisse, dass im Altenhof rechts vor links gelte. Er habe den jungen Mann aber nicht gesehen, weil ihn ein entgegen kommendes Auto blendete.

Diese Aussage half dem jungen Mann aber nicht weiter. Denn der Richter im Zivilverfahrens kam beim Ortstermin im Altenhof zu einem ganz überraschenden Schluss. Er urteilte: Hier gelte nicht rechts vor links, denn die entsprechende Stichstraße sei keine Straße, sondern nur die Einmündung einer untergeordneten Verkehrsfläche. Und so habe der junge Mann grundsätzlich nicht Vorfahrt.

In der Urteilsbegründung schreibt der Richter, „bei der Stichstraße, aus der der Fahrer des Klägerfahrzeuges kam, handelt es sich um einen anderen Straßenteil im Sinne des § 10 S. 1 Straßenverkehrsordnung. Dies sind Ausfahrten aus öffentlichen Verkehrsräumen, die nicht Straßen sind. Sie sind für den öffentlichen Verkehr bestimmt, aber anders als Straßen nicht für den Durchgangsverkehr“.

Buntes Pflaster

Dass dies bei den Stichstraßen der Mussinanstraße der Fall sei, belegt der Richter so: Die Mussinanstraße sei breiter, verfüge über einen zwei Meter breiten kombinierten Geh- und Radweg; die Stichstraße sei hingegen schmäler, durch buntes Pflaster abgegrenzt, es gebe eine entlang der Mussinanstraße verlaufende, gepflasterte Regenrinne, die über die Stichstraße schneide. „Ein unbefangener Betrachter muss den vom Fahrer des Klägerfahrzeuges befahrenen Stichweg daher sofort mit der zurückliegenden Häusergruppe in Zusammenhang bringen und davon ausgehen, dass er lediglich als Zufahrt zu diesen Grundstücken dient.“

Die Hinweistafeln, „Achtung hier gilt links vor recht“ haben laut Urteil „keinen regelnden Charakter“. Die Hinweistafeln hätten allenfalls einen hinweisenden Charakter und „geben lediglich die (falsche) Rechtsansicht der Straßenbaubehörde wieder“.

Weil der Beklagte die Situation nicht überschaut und gesagt habe, er hätte auch mit rechts vor links gerechnet, treffe den jungen Mann nicht die alleinige Schuld; 40 Prozent der Schadenssumme sprach das Gericht daher dem jungen Mann zu. Der ging in Berufung, der Fall liegt vor dem Landgericht. Das Urteil findet Stadt-Pressesprecher Franz Janka, „zunächst einmal erstaunlich“. Er selbst sei Altenhofer und davon ausgegangen, dass nur für die Tiefgaragenausfahrten in die Mussinanstraße nicht rechts vor links gelte. Er kannte den Streit bislang nicht und wollte ihn nicht kommentieren, solange der Prozess läuft.

„Wir warten ab, was bei der Berufung rauskommt“, sagt auch der Verkehrssachbearbeiter der Polizei, Richard Löhner. Er wusste um die Problematik im Altenhof.

Ob Stichstraße oder nicht, sei auch „davon abhängig, wie viele Häuser erschlossen werden.“ Zudem müsse der Verkehrsteilnehmer erkennen können, dass es sich um eine Straße und keine Einfahrt handelt. Aber, do Löhner: „Die Verkehrsführung im Altenhof ist eigentlich vorbildlich.“ Es gebe wenig Unfälle, und wenn, meist nur Blechschäden. Eine Tempomessung habe unlängst ergeben, dass zumeist Tempo 30 gefahren wird.

Werde an diesem Gefüge gerüttelt, fürchtet Löhner, nehme das Tempo in der Mussinanstraße zu. Bleibt abzuwarten, wie das Landgericht entscheidet. Bestätigt es das Neumarkter Urteil, muss die Stadt schnell Rechtssicherheit herstellen.

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