Zwei Mörder hielten die Jurastadt in Atem

24.11.2009, 00:00 Uhr
Zwei Mörder hielten die Jurastadt in Atem

Plötzlich standen zwei junge Männer von ihrer Cola auf und verlangten, mit Pistolen in den Händen, Geld. «Buam, macht’s euch net unglücklich», versuchte einer der Anwesenden die Situation zu entschärfen. Doch das Gegenteil passierte. Den Gangstern brannten alle Sicherungen durch; wie von Sinnen schossen sie in die Runde. Drei der Opfer waren sofort tot, drei verletzt, von denen eines nicht überlebte. Die Todesschützen flohen ohne Beute.

Wie die Regensburger Polizei ermittelte, waren die Täter, der 30-jährige Dietmar E. und der 25-jährige Helmut B., einige Tage vorher aus dem Gefängnis im österreichischen Steyr ausgebrochen, hatten ein Auto gestohlen und sich bei einem Einbruch in ein Linzer Waffengeschäft zwei Pistolen samt Munition beschafft.

Ohne Probleme waren sie über die Grenze nach Bayern gekommen. An der Anschlussstelle Laaber im Landkreis Regensburg verließen sie die A 3 in der Absicht, sich «Benzingeld» für die weitere Flucht zu besorgen und landeten in dem Wirtshaus.

Streife entdeckte Fahrzeug

Die Fahnung nach dem weißen Honda mit dem österreichischen Kennzeichen lief nach der Tat auf Hochtouren. In Neumarkt schließlich entdeckte eine Streife das Fahrzeug und folgte ihm unauffällig. Es verließ die Hauptstraße, fuhr auf Nebenstraßen weiter, bis es in einer Sackgasse landete.

Dort raste es in eine offen stehende Garage, das Tor schloss sich. Als es sich wieder öffnete, überwältigten Polizisten zwei Männer und legten ihnen Handschellen an. Doch bald wurde klar: Man hatte in der Dunkelheit die Falschen, zwei jugendliche Tramper, geschnappt.

Der 17-jährige Polizeipraktikant und sein 16-jähriger Freund hatten nach einem Discothekenbummel in Neumarkt nach Lauterhofen trampen wollen. Ahnungslos stiegen sie in das Auto der Österreicher. Die Männer machten «einen gepflegten Eindruck, waren rasiert und sehr freundlich». Dass sich die Jugendlichen bei der Fahrt in der Garage, von wo aus die Verbrecher durch eine Hintertür im Dunkel verschwanden, ruhig verhielten, rettete ihnen vermutlich das Leben. «Wenn das Garagentor zu gewesen wäre, wenn es nicht die einzige von zehn Garagen gewesen wäre, die eine Hintertür hatte, die hätten uns als Geisel genommen und umgebracht», waren sich die beiden im Nachhinein sicher. An ihrem Wunsch, Polizisten zu werden, änderte ihr Erlebnis nichts, nur das Trampen wollten sie künftig sein lassen.

Neumarkt glich nun einer belagerten Stadt. Hotels und Pensionen wurden durchkämmt, die Ausfallstraßen von Polizeikräften abgeriegelt. Doch die Gesuchten hatten sich unbemerkt querfeldein zur Ruine Wolfstein durchgeschlagen und sich dort bis zum Abend versteckt. Dann brachen sie in ein nahe stehendes Haus ein und überwältigten eine junge Hausfrau, als diese mit einer Freundin, deren kleinem Sohn und einem Bekannten von einem Kegelabend heimkehrte.

Künstlicher Stau

Sie verlangten ein Fluchtfahrzeug und die Hausfrau als Geisel. Doch diese wollte sich eher erschießen lassen, als mitzukommen. Als die Lage zu eskalieren drohte, stellte ihre Freundin, eine 26-jährige Frau eines Polizeibeamten, ihr Auto und sich selbst als Geisel zur Verfügung.

Für sie fand der Horrortrip kurz vor der Anschlussstelle Offenbach in der Nacht zum Sonntag sein Ende. Ein Sondereinsatzkommando der Polizei griff mit Hilfe eines künstlich herbeigeführten Staus zu und befreite die Geisel; E. starb bei der Aktion durch eine Polizeikugel; B. konnte verletzt festgenommen werden.

Laaber versank in Trauer. «Die Menschen hier sind wie gelähmt. Jeder sucht eine Antwort, warum die furchtbare Tat gerade hier passieren musste», so Bürgermeister Willi Hogger gegenüber den NN. Der Wirt, dessen Gasthaus Schauplatz des Blutbades geworden war, klagte angesichts des Medienrummels mit tränenerstickter Stimme: «Leute, was wollt ihr hier . . . ? Nein, so schnell ist das nicht vorbei. Die haben meine Stammgäste erschossen.» Auch das Urteil für den 26-jährigen Helmut B. auf lebenslange Haftstrafe mit Sicherungsverwahrung und die Rettungsmedaille für die Neumarkter Polizistenfrau konnten den Betroffenen nicht ihren inneren Frieden zurückgeben.

Schlimm seien die Jahrestage, erzählte ein Überlebender zehn Jahre nach den Ereignissen den NN. Er habe nicht nur körperlich schwer an den Folgen der Schüsse zu tragen. Angstträume und Schuldgefühle, warum er überlebte, begleiteten ihn. E. VIEWEG-EIDLOTH