Wirtin war die "Blume der Gastlichkeit"

Nach 36 Jahren: Legendäre Pilsstube in Franken schließt

16.1.2021, 05:58 Uhr
Wenig Platz, dafür viel Herzlichkeit: Das war die Pilsstube "Ofenbänkla" in Bad Windsheim.

© Wolfgang Grötsch Wenig Platz, dafür viel Herzlichkeit: Das war die Pilsstube "Ofenbänkla" in Bad Windsheim.

Die Tür geht auf und schon blickt eine ganze Kneipe kurz prüfend Richtung Neuankömmling. In der Pilsstube Ofenbänkla, einer der Kult-Kneipen Bad Windsheims und gleichzeitig sowohl die urigste als auch schnuckeligste, war das ganz normal.

Zwei Tische im Raum mit dem Acht-Meter-Tresen, zwei im Hinterzimmer, das war’s. Am Zapfhahn steht Abend für Abend Petra Mensel. Die "Blume der Gastlichkeit", wie Stammgast Stefan "Crazy" Schlee Petra Mensel (68) mal genannt hat, betrieb 36 Jahre im Erdgeschoss ihres Elternhauses in der Seegasse 32 die Pilsstube Ofenbänkla. Die ehemalige Zahnarzthelferin stand seit jeher in der Kneipe, die 1984 ihr damaliger Ehemann Eberhard Mensel und dessen Bruder Reinhard eröffneten, hinterm Tresen.

36 Jahre lang war "das Bänkla" Wohnzimmer vieler Stammgäste, Heimat von Handballern, Eisstockschützen, Volleyballern, Fußballern, Clubfreunden und Kartelrunden. Nun ist "endgültig Sperrstunde", wie Petra Mensel sagt: Die Ofenbank schließt für immer.


Im Gespräch mit der Windsheimer Zeitung spricht die Wirtin über Regeln, Autorität, Freundschaften, Helene Fischer, die Zukunft der Kneipe und natürlich den 1. FC Nürnberg – und hat zwischendrin Tränen in den Augen.

"Die Legende schließt": Die Pilsstube "Ofenbänkla" in der Seegasse in Bad Windsheim macht nach 36 Jahren dicht.

"Die Legende schließt": Die Pilsstube "Ofenbänkla" in der Seegasse in Bad Windsheim macht nach 36 Jahren dicht. © Matthias Oberth

Frau Petra Mensel, was ist eigentlich Ihr persönliches Lieblingsbier?

Ein ganz normales Helles, am liebsten aus der Fränkischen. Wir hatten zuletzt das von Landwehr, das war sehr beliebt.

Ist Fassbier wirklich immer besser als Flaschenbier?

Das kann ich so echt nicht sagen. Bei vielen Bieren ist das vom Fass schon leckerer, es gibt aber auch Ausnahmen. Ich bin auch eine leidenschaftliche Guinness-Trinkerin und früher hatten wir alles mögliche, Oktoberfestbiere, Altbiere, jede Woche was anderes. Wir waren da kreativ, nur Modegetränke gab es bei mir nie, Cocktails selten.

Im Bänkla galten zwei feste Regeln: Wer einschläft, muss heim, und wer abfällig über den Club, den 1. FC Nürnberg, redet, bekommt nichts zu trinken ...

(lacht) Ja, das stimmt. Wenn mir da mal einer vom Hocker gekippt wäre, wäre was los gewesen, zudem wirste die Leute nicht mehr los, wenn sie mal eingeschlafen sind. Und der Glubb ist natürlich heilig.

Nach 36 Jahren: Legendäre Pilsstube in Franken schließt

© Foto: sb

Wie sind Sie zum Club gekommen und wie oft musste Bier beim Ertragen von schlimmen Spielen und Niederlagen helfen?

Ich bin schon mit vier Jahren von meinem Vater mit zum FCN gezerrt worden. Und dann gilt halt nunmal: Einmal Glubberer, immer Glubberer. Manchmal war es schon bitter, aber bei den Nachmittagsspielen gab es trotzdem nur wenige, die ihre zehn Halbe pro Spiel getrunken haben.

36 Jahre Erfahrung als Wirtin. Was macht für Sie eine gute Kneipe aus?

Gute Stammgäste sind das A und O. Zudem muss die Wirtin oder der Wirt immer ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte der Gäste haben. Das schönste für eine Kneipe ist dann, wenn dort furchtbar viele Freundschaften geschlossen werden.

Wie schätzen Sie die Windsheimer Kneipenszene ein?

Die hat sich schon sehr verändert. Es gibt keine Diskos mehr – keine One, keine Inside, keine Tropic. Dann die Phase der Sperrzeit um 1 Uhr. Heute gehen viele vor Elfe gar nicht mehr fort. Wenn ich früher um 18 Uhr aufgemacht habe, dann hat man um 19 Uhr keinen Platz mehr gefunden. Einige machen es aber gerade echt gut – wenn Corona nicht wäre.

Zwangsschließung im Lockdown eins, auch aufgrund der Größe keine Chance auf Öffnung danach und nun der nächste Lockdown, war das zuviel?

Wir haben im ersten Lockdown nochmal alles renoviert, frisch gestrichen, die Sitzbezüge, einfach alles. Jetzt machen wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu. Corona hat uns die Entscheidung abgenommen: die Kosten und wir werden ja auch nicht jünger. Jetzt haben wir also die Kühlung ausgeräumt und haben entschieden, die Kneipe auch nicht zu verpachten. Das Ofenbänkla wird unser persönlicher Partyraum, vermieten wollen wir ihn auch nicht.

Freudenfeste und Tragödien: Wirtin Petra Mensel hatte hinter ihrem langen Tresen alle Gäste stets im Blick. 

Freudenfeste und Tragödien: Wirtin Petra Mensel hatte hinter ihrem langen Tresen alle Gäste stets im Blick.  © Stefan Blank

Welche Bänkla-Momente werden Sie nie vergessen?

Natürlich, als wir den Pokalsieg 2007 des Clubs hier tagelang gefeiert haben, aber auch die WM 2006, als die Handballer hinten im Hof auf den Mülltonnen getrommelt haben. Aber auch Karpfen- und Truthahnessen, Super Bowl, Kicker- und Schafkopfturniere, Stammgast-Busfahrten, Kappenabende und Weiberfasching waren immer toll. Es gab fürchterliche Räusche.

Hat es je eine Kneipenschlägerei in der Ofenbank gegeben?

Nein. Jeder hat gewusst, das es sowas hier nicht gibt. Streithähne konnten sich die tollsten Namen geben, aber mehr nicht. Ansonsten hätte es auch sofort Lokalverbote gegeben.

Apropos Lokalverbote, gab es sowas?

Ja, ein paar. Einer ist mal zu einer privaten Geburtstagsfeier gekommen. Schon in Greuther-Fürth-Montur und betrunken, der hat nur rumgestänkert und ist dann rausgeflogen. Da ich die meiste Zeit alleine war, musste ich mich schon immer durchsetzen, sonst sch... die einem aufn Kopf. Wenn ich also wirklich mal einen Schrei losgelassen habe, haste eine Stecknadel fallen hören.

Das "Bänkla" war stets auch die Heimat des Fanclubs  "Clubfreunde 86". Bayernfans waren aber auch willkommen, sofern sie nicht schlecht über den FCN sprachen oder mit dem Clubwimpel in der Gaststube Schabernack trieben. 

Das "Bänkla" war stets auch die Heimat des Fanclubs  "Clubfreunde 86". Bayernfans waren aber auch willkommen, sofern sie nicht schlecht über den FCN sprachen oder mit dem Clubwimpel in der Gaststube Schabernack trieben.  © sb/Foto: Stefan Blank

Haben Sie sich in der Ofenbank jemals unwohl gefühlt?

Für mich persönlich war es ein großer Vorteil, dass 90 Prozent Stammgäste waren, wir sind miteinander alt geworden. So musste ich mich fast nie fürchten, es waren immer welche da, die eingeschritten wären. Ich habe es auch immer so gehandhabt, dass wenn der letzte bekannte Gast gegangen ist, habe ich zugemacht. Da habe ich aus einer Erfahrung relativ am Anfang gelernt, als ich am Kerwa-Freitag schon zu, aber noch nicht abgeschlossen hatte und mich auf einmal ein Rocker bedroht hatte. Die kamen zu viert rein, sturzbetrunken und haben mich mit Macho-Sprüchen angepöbelt, ich Weib soll mich doch nicht so anstellen und Bier aufn Tresen stellen. Angst darfst Du da nicht zeigen, sonst hast Du verloren. Und so habe ich einen Aschenbecher in die Hand genommen und gedroht, ihm den an die Birne zu werfen. Zum Glück hat einer der Rocker dann dafür gesorgt, dass sie gegangen sind. Einmal habe ich von Nazis auch Morddrohungen bekommen und die haben mich alleine als Gruppe auch nachts mal auf dem Heimweg abgepasst – zum Glück sind Freunde mir gefolgt und haben die Situation auf ihre Art geklärt.

Als Wirtin einer kleinen Kneipe sind Sie Psychologin und Soziologin gleichzeitig gewesen, wie oft sind im Bänkla Tränen vor Trauer, Sorge oder Freude geflossen?

Damit könntest Du Swimming-Pools vollmachen.

Hier lehnten sich nicht nur Fahrräder an: die Seegasse 32 in Bad Windsheim.

Hier lehnten sich nicht nur Fahrräder an: die Seegasse 32 in Bad Windsheim. © Foto: sb

Welche Bänkla-Anekdoten werden Sie nie vergessen?

Wild war, als einige Gäste immer Bacardi-Cola und Bacardi-O aus bunten Fünf-Liter-Eimern getrunken haben, die habe ich extra mit Riesenstrohhalmen besorgt. Dazu viele, viele Geburtstage und einer, der hier auch seinen Junggesellen-Abschied gefeiert hatte, hat hier die Geburt seines ersten Sohnes begossen. Zu später Stunde wusste er nicht mehr, wie der Bub denn nun heißt, und es ist Matthias statt Tobias als Name in Umlauf geraten – seine Frau war damals Tage später auf den falschen Namen angesprochen doch sehr überrascht.

Schlussstrich mitten im Lockdown – wann wurde denn im Bänkla das finale Bier getrunken?

Ja, die Legende schließt, haben manche zu mir gesagt. Am 14. März 2020 war das letzte Mal offen, das weiß ich noch ganz genau: da gab es das letzte Bier – und jetzt (Petra Mensel macht ein Bier auf): Aufs Bänkla!


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