1. Juni 1967: FC Bayern triumphiert in Nürnberg

1.6.2017, 08:10 Uhr
1. Juni 1967: FC Bayern triumphiert in Nürnberg

© Kammler

Als die Fans sich auf den Heimweg machten, spielten sich unbeschreibliche Szenen ab: Begeistert fielen sich wildfremde Leute in die Arme, tanzten auf Straßen und Plätzen, schwenkten ausdauernd ihre bunten Fahnen und zogen singend und jubelnd durch die Stadt.

Trotz der überschäumenden Freude, die noch bis weit nach Mitternacht das Straßenbild bestimmte, ist es zu keinen ernsthaften Zwischenfällen gekommen. Das ist in erster Linie das Verdienst der Polizei, die mit über 500 Beamten an den neuralgischen Punkten aufmarschiert war und die etwa 20.000 Fahrzeuge in geordnete Bahnen lenkte. Nur bei der Abfahrt kam es zu langen Stauungen, die sich aber bald wieder auflösten.

1. Juni 1967: FC Bayern triumphiert in Nürnberg

© Gerardi/Launer

Trotz strömenden Regens waren schon am Vormittag bunt kostümierte Fußballanhänger pausenlos durch die Straßen gezogen. Insbesondere die etwa 6000 Schotten, von denen 1100 in elf Chartermaschinen auf dem Flugplatz gelandet waren, gaben zu diesem Zeitpunkt den Ton an. Ansonsten blieb es verhältnismäßig ruhig, denn das befürchtete Verkehrschaos ist ausgeblieben.

Die Polizei, die mit der Landpolizei großartig zusammenarbeitete, verlor nie die Übersicht. Ausgerüstet mit Proviantbeuteln, die an jeden Beamten verteilt wurden, hatten sie schon frühzeitig ihren Posten bezogen.

Um 16.45 Uhr startete der amerikanische Hubschrauber mit dem Leiter der Verkehrsstreifengruppe an "Bord". Er stand in ständigem Funkkontakt mit den Bodenstationen. Durch seine Übersicht aus luftiger Höhe war es möglich, rechtzeitig Verkehrsstockungen zu erkennen. Seine Ratschläge erwiesen sich als vorteilhaft und zeitsparend. Hinzu kam noch, daß die Rechnung der Verantwortlichen im Polizeipräsidium prompt aufging: der Anmarsch der Schlachtenbummler erstreckte sich praktisch über den gesamten Nachmittag. Sie tröpfelten nach und nach ein, so daß der gesamte Verkehr reibungslos abgewickelt werden konnte.

Apropos Fußgänger: sie brachten gestern Schwung auf die Straßen. Während die "Bayern" meist mit der Bahn oder in Autos angereist kamen, bevölkerten die Schotten schon am frühen Morgen die Stadt. Den Auftakt zu der Schau mit Schlachtgesängen und bunten Fahnen gaben die "Rangers" schon auf dem Flugplatz, der eine solche lautstarke Invasion noch nicht erlebt hat. Grölend und auch in der Kleidung von Kopf bis Fuß auf ihren Club eingestellt, kletterten sie aus den Maschinen, zogen quer durch die Stadt, blockierten den Verkehr, und drehten ihre blauen Wollmützen aus, wenn der Regen sie allzu schwer gemacht hatte.

Eine "Sammelstelle" für "Rangers"-Anhänger

Übrigens: Den Schotten war schon ein schlechter Ruf vorausgeeilt. Bereits in den frühen Morgenstunden klingelte in der Pressestelle des Polizeipräsidiums ständig das Telephon. Am anderen Ende der Leitung wollten daheimgebliebene Journalisten wissen, wie viele ihrer Landsleute die Polizei schon aufgelesen habe. Sie konnten es nicht fassen, daß bis 16 Uhr noch kein einziger "Ranger" in der Zelle gelandet war. Am Abend änderte sich dieses Bild allerdings. Einige konnten einfach nicht mehr ihre Heimreise antreten…

1. Juni 1967: FC Bayern triumphiert in Nürnberg

© Gerardi/Launer

Dabei halfen ihnen die Beamten, wo es nur ging. Das können am besten drei Schlachtenbummler aus Edinburgh bestätigen, die schon auf der Bahnfahrt tüchtig gefeiert und dabei Geldbeutel und Koffer verloren hatten. Aber was das Schlimmste war: ihre Eintrittskarten befanden sich bei ihren Utensilien.

Verzweifelt erschienen sie im Polizeipräsidium, das alle Schwarten wieder ausbügelte: durch ein "Hintertürchen" gelangte das Trio ins Stadion, das städtische Sozialamt besorgte für die bargeldlosen Fans eine Karte nach München, wo das britische Konsulat eine glückliche Heimkehr übernahm. Alarmiert durch diesen Fall, sagte der Vizekonsul sofort zu, sich der vielen Landsleute anzunehmen, die den Verlust ihrer Pässe oder ihres Geldes meldeten. Bei der Polizei mußte eigens eine "Sammelstelle für britische Staatsbürger" eingerichtet werden.

1. Juni 1967: FC Bayern triumphiert in Nürnberg

© Gerardi/Launer

Mitunter kannte die Begeisterung auch keine Grenzen. Das demonstrierte ein junger Schotte, der sich am Nachmittag heimlich ins US-Hotel geschlichen hatte, wo er bis in den fünften Stock drang, auf einen ein Meter breiten Fenstersims kletterte und eine "Rangers"-Fahne schwang. Flinke Hotelangestellte bekamen ihn aber rechtzeitig zu fassen.

Der Abmarsch der Glasgow-Anhänger aus dem Stadion vollzog sich dagegen wesentlich ruhiger. Mit hängenden Köpfen und Fahnen pilgerten sie durch die Stadt und reagierten kaum, wenn ihnen deutsche Schlachtenbummler zuriefen: "Take it easy." Erleichtert meinte die Polizei: "Die Helden sind müde." Pech hatten schottische Zuschauer, die auf einen Omnibus warteten, der in Aschaffenburg "sauer" geworden war. Sie mußten kurzfristig für die Nacht in Nürnberg untergebracht werden.

15 der insgesamt 40 havarierten Gäste fanden bei der Bahnhofsmission warmes Quartier, und zehn verbrachten die Nacht im Schlafsaal des Polizeipräsidiums, in dem noch das Gästezimmer für eine Frau mit mehreren Kindern reserviert wurde. Der Rest der "geplatzten" Reisegruppe konnte in Gaststätten untergebracht werden.

Die Abfahrt der Kraftfahrzeuge verlief insgesamt planmäßig und zügig, weil die Parkplätze nicht auf einmal geöffnet wurden. Vor der Steintribüne und in unmittelbarer Stadionnähe waren 7600 Wagen, im Gebiet Regensburger Straße-Zabo 4300 und auf dem Volksfestplatz etwa 900 Autos abgestellt worden. Auf dem Zeppelinfeld "ruhten" 225 Omnibusse. Schon 35 Minuten nach dem Spiel hatte die VAG alle ihre Gäste in die Stadt gebracht - über 5000 an der Zahl. Bereits 90 Minuten nach dem umjubelten Schlußpfiff des Schiedsrichters lief der Verkehr in Nürnberg wieder normal.

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