13. Januar 1970: „Englischer Gruß“ wird restauriert

13.1.2020, 07:00 Uhr
13. Januar 1970: „Englischer Gruß“ wird restauriert

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So lange muß die Lorenzkirche auf ihr berühmtes Kunstwerk verzichten. In einer eigens dafür eingerichteten Werkstätte werden einige freischaffende Restauratoren und die Experten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalspflege die vollplastische Lindenholzschnitzerei überholen und instand setzen.

Ganz langsam schwebte gestern der „Engelsgruß“ – wie er jetzt häufig erklärend genannt wird – als farbenprächtige Botschaft im Hallenchor herab. In dieser für den Betrachter recht angenehmen Stellung in Augenhöhe wird er noch einige Tage hängen bleiben. Denn das Kunstwerk von Veit Stoß kann man nicht am Stück transportieren. Es muß zuerst von Fachleuten sorgfältig in handliche Portionen zerlegt werden.

Wachs auf Gefahrenstellen

Als erste Amtshandlung „bügelten“ sie gestern mit Spezialgeräten Wachs auf gefährdete Stellen, nachdem bereits durch die Erschütterung neben Staub auch einige Farbsplitter herabgerieselt waren. Unter der Aufsicht von Landeskonservator Dr. Johann Taubert, Leiter der Restaurierungswerkstätte, werden in mühevoller Kleinarbeit die teilweise defekten Schrauben aufgedreht.

Der „Englische Gruß“ wurde in den Jahren 1517/18 von Veit Stoß aus einer Linde des Sebalder Waldes geschnitzt, gefaßt und vergoldet. Der Patrizier Anton II. Tucher stiftete das Kunstwerk, eines der bedeutendsten des ausgehenden Mittelalters, zusammen mit dem 55kerzigen „Marienleuchter“ der St.-Lorenz-Kirche. Das Schnitzwerk stellt die Verkündigung der Christgeburt an die Jungfrau Maria durch den Erzengel Gabriel dar. Die Figuren werden umgeben von einem „Rosenkranz“ mit sieben Medaillons und durch Gottvater bekrönt.

1817 abgestürzt

Ursprünglich durch einen Sack verhüllt, wurde das Kunstwerk vor der Reformation nur an den Marienfesten gezeigt; danach blieb es zwar am alten Ort hängen, wurde aber nur bei ganz besonderen Anlässen herabgelassen und vorgestellt. Nach dem Übergang der Freien Reichsstadt Nürnberg an Bayern wurde der Engelsgruß aus der Kirche genommen und auf der Kaiserburg ausgestellt. Bei dem Versuch, die Schnitzerei 1817 wieder in der Lorenzkirche aufzuhängen, stürzte sie herunter und wurde schwer beschädigt. Erst 1826 konnte das berühmte Werk von Veit Stoß wieder seinen angestammten Platz einnehmen.

Im Laufe der Jahrhunderte hatten viele Künstler die Schnitzarbeit neu übermalt. Doch die ursprüngliche Fassung wurde nie erreicht – auch nicht nach mehreren Versuchen, sie freizulegen. Den Restauratoren steht nun die mühselige Arbeit bevor, den „Englischen Gruß“ wieder in alter Farbenpracht entstehen zu lassen.

So soll im nächsten Jahr auch wieder die Einfassung der Medaillons – zur Zeit noch grau übermalt – golden erstrahlen.

Vor allem jedoch sind die Schäden zu beheben, die sich im Laufe der Zeit einstellten – u. a. lockerten sich die Befestigungen der Holzteile. Deshalb stellte das Landesamt für Denkmalspflege einen zum Dürerjahr zweckgebundenen Zuschuß von 100 000 Mark zu den Gesamtkosten, von 166 000 Mark, die die Arbeiten erfordern bereit.

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