15. Februar 1967: Die Kehrseite der "Messe-Liebe"

15.2.2017, 08:00 Uhr
15. Februar 1967: Die Kehrseite der

© Ulrich

Die Kriminalpolizei warnt die 11.000 Spielwaren-Einkäufer aus dem In- und Ausland vor amourösen Abenteuern. Mit ihnen sind nämlich auch einige Dutzend leichte Mädchen an die Pegnitz gereist, die bis zum Freitag ihren eigenen Messe-"Schlager" landen wollen. Das Geschäft mit der Liebe ist nur ein Vorwand, um schnell und bequem an Brieftaschen und Wertsachen heranzukommen.

15. Februar 1967: Die Kehrseite der

© Ulrich

Auch die "Konkurrenz" ist mit von der Partie: internationale Taschendiebe, die geschickt ihre Langfinger ausstrecken. Und mit Erfolg, wie die Praxis zeigt. Um diesen dunklen Elementen das Handwerk zu legen, sind täglich etwa dreißig Kripobeamte im Einsatz. Für sie hatte die Messe schon vor drei Wochen begonnen. Mit Hilfe der Anmeldeformulare prüften sie, wer vielleicht verdächtig sein könnte. Von Jahr zu Jahr wird die Zahl der "Sekretärinnen" aus den Vergnügungszentren in Hamburg, Frankfurt, Köln, Stuttgart oder Braunschweig größer, die für die Dauer der Spielwarenmesse in Nürnberg ein Zimmer bestellen.

"Wir nehmen diese Damen genau unter die Lupe", versichert Kriminalrat Heinrich Helldörfer, "und besorgen uns ihre Vergangenheit von den zuständigen Polizeidienststellen".

Heuer waren es etwa 80 Vertreterinnen dieses Gewerbes, die überwacht wurden. "Selbstverständlich können wir nicht alle im voraus ausmachen", räumt der Beamte ein. Viele können ihre Reise gut verschleiern oder mieten sich in der Umgebung ein. Am Abend fahren sie dann nach Nürnberg und pirschen sich an "Liebhaber" und Geld heran.

Opfer begünstigen die Diebstähle

Der Trick ist fast immer der gleiche. Wenn sich die flüchtige Bekannte verabschiedet, ist meist auch die Brieftasche verschwunden. "Die Opfer begünstigen noch die Diebstähle", findet Kriminalrat Heinrich Helldörfer, "denn meist sind sie angeheitert und legen einen bedenklichen Leichtsinn an den Tag". Manche "Bienchen" arbeiten auch mit einem Galan zusammen. Während die "Braut" an einem vorher genau verabredeten Platz Zärtlichkeiten austauscht, taucht er plötzlich auf, spielt den betrogenen Ehemann und schlägt unbarmherzig zu.

Das ist die eine Seite der Polizeiarbeit, die sich im verborgenen abspielt. Für alle deutlich sichtbar ist der Einsatz von zwei Beamten, die den "Freund-und-Helfer-Nimbus" kräftig aufpolieren: sie stehen am Haupteingang zum Messehaus und übernehmen die Funktionen eines Dolmetschers. "Hier spürt man den Duft der großen Welt", meint lächelnd Polizeiobermeister Alfons Meister, der in Englisch "unterrichtet". Durch Schulkenntnisse plus fast vier Jahre Kriegsgefangenschaft spricht er fließend die fremde Sprache. Seit seine Tochter Angelika das Sigena-Gymnasium besucht, beherrscht er auch grammatikalische Feinheiten.

Was wollen nun die ausländischen Besucher in erster Linie wissen? Die Skala der Auskünfte reicht von Parkplatzsorgen über Messestände bis zu der Frage, wo man preiswert essen oder sich gut amüsieren kann. Schwierig wurde es für ihn am Eröffnungstag, als ein Ehepaar einen Chow-Chow-Hund für ein paar Stunden unterbringen wollte. Alfons Meister, der schon seit 18 Jahren "amtlicher" Messedolmetscher ist, löste auch dieses Problem. Er fand eine Frau, die sich gerne bereit erklärte, das Tier zu nehmen.

Einige Polizisten als Dolmetscher

Sein Kollege Ernst Probst beherrscht mit Englisch und Französisch gleich zwei Fremdsprachen. Der Polizeimeister ist schon zum vierten Male dabei. Zunächst in der Oberrealschule und später in Abendkursen der Volkshochschule und des DGB hat er sich die Kenntnisse erworben. "Die Ausländer freuen sich, wenn sie Auskunft in ihrer Landessprache erhalten", sagt der Beamte.

Alfons Meister und Ernst Probst zählen zu dem 18köpfigen Stab, der als Sonderwache im 1. Stock des Europa-Hauses seinen Messedienst absolviert. "Der starke Verkehr bereitet uns schon einiges Kopfzerbrechen", gesteht Polizeiobermeister Gerd Kuchlin, "aber zu bedrohlichen Engpässen ist es noch nicht gekommen. Beim Stadtpark, in der Welser-, Virchow- und Senefelderstraße gibt es auch immer genügend Abstellflächen", meint er zuversichtlich. Trotzdem: "Deutsche Besucher klagen mehr als die Ausländer", gesteht er, "weil sie nicht so gerne laufen."

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