15. Januar 1970: Da staunen die Leute Bauklötze

15.1.2020, 07:00 Uhr
15. Januar 1970: Da staunen die Leute Bauklötze

© Ulrich

Das geht aus den vielen Leserbriefen hervor, die die „Nürnberger Nachrichten“ seit Wochen erhalten und in denen zum Teil heftige Kritik an dieser Baukonstruktion geübt wird.

Das Gebäude wirkt vor allen Dingen durch seine Fassade. Die Farbe der Verkleidung wechselt mit der Beleuchtung und wird von olivgrün bis zu freundlichem bräunlich beschrieben. Die Bank selbst lehnte gestern eine Stellungnahme zu ihrem Neubau ab. Sie begründete dies mit der Tatsache, daß das Gebäude erst im Rohbau dasteht.

Aus der Fülle von Leserbriefen zitieren wir einen, der typisch ist für die Kritik, die an dem Bauwerk geübt wird: „Das Bauwerk hat noch keinen Maßstab zur Umgebung, wirkt durch dunkeltriste Farbe noch schwerer, zeigt fremdes Fassadenmaterial, blau schillernde Verglasungen, schiebt sich brutal zwischen die Bebauung der Hans-Sachs-Gasse nähert sich (noch dazu schief) bedenklich dem Heilig-Geist-Spital, besitzt das wohl unvermeidbare Mammutdach und als Krönung einen ungekonnten Aufzugturm.“ Die Schreiberin stellt schließlich fest, daß mit dem Gebäude eine neue „Wundstelle“ in der Altstadt geschaffen wurde und spricht der Feuerwehr ihren ironischen Dank aus, daß sie die „Millionenscheune“ bei einem Brand kürzlich vor der Vernichtung bewahrt hat.

Stadtrat Schmeißner spricht

Ein Fachmann, der es eigentlich wissen muß, ist in seiner Meinung zurückhaltender: Der Leiter des Baureferats, Stadtrat Heinz Schmeißner erklärt: „Das Gebäude ist, was die Wahl des Materials betrifft, umstritten. Über die Baudimensionierung und Gestaltung hat der Baukunstbeirat beraten. Der Baukörper ist nach meiner Meinung vollkommen richtig. Die Fassade hat am frühen Nachmittag einen sehr schönen, warmen, bräunlichen Ton. Zu anderen Stunden des Tages kann die Fassade ungut dunkel wirken. Außerdem ergibt sich eine metallische Spiegelung, die aber vielleicht durch Patina im Laufe der Jahre besser wird. Das ist jedenfalls meine Hoffnung. Ich nehme an, daß auch der vorgesehene Brunnen die Situation wesentlich verbessern wird.“

Anderer Meinung ist ein Leser, dem die architektonische Gestaltung des zukünftigen Nürnberg besonders am Herzen liegt: „Was soll dieses furchterregende Gebäude, diese Mischung von Beerdigungsinstitut und Gestapo-Leitstelle an diesem schönen, alten Nürnberger Platz.“

Willi Prölß, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Nürnberger Stadtrat, erklärte gestern: „Ich finde, daß dieser Bau in seiner Maßstäblichkeit und in seiner Fassadenverkleidung nicht als gelungen bezeichnet werden kann. Was die Fassaden betrifft, lag die Genehmigung zu unserem Leidwesen im Bereich des Baureferats.“ Ähnlich äußert sich der Chef der Opposition, CSU-Stadtrat Georg Holzbauer: „Ich war in das Genehmigungs-Verfahren für den Bau nicht eingeschaltet. Ich muß sagen, daß mich der Bau erschreckt. Wenn ich damit befaßt worden wäre, hätte ich das eine oder andere an rechtzeitiger Kritik vorgebracht. Ich halte diesen Bau hinter der Frauenkirche und gegenüber dem Heilig-Geist-Spital für deplaciert.“

Die optische Verfremdung

Otto Peter Görl ist ab 1. Mai Nachfolger von Baureferent Heinz Schmeißner. Er erklärt: „Ich finde es bedauerlich, daß der Neubau mit seinem großen Kubus und dem weitkragenden Vordach, sowohl dem städtebaulichen Maßstab des wiederaufgebauten Heilig-Geist-Spitals, als auch der räumlichen Struktur des Hans-Sachs-Platzes widerspricht. Dieser Widerspruch wird durch die glatte Loch-Fassade begünstigt, wobei der olivgrün-braune Ton der Fassadenverkleidung aus eloxiertem Aluminium eine optische Verfremdung entstehen läßt. Obwohl der gesamte Baukörper eine noble Grundhaltung besitzt, verursacht er einen unauflösbaren Kontrast zu seiner historisch bestimmten Umgebung.“

Nicht ganz dieser Auffassung ist Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter: „Die Formgebung der Fassade ist dunkel und abstoßend. Dagegen bin ich nicht der Ansicht, daß das Bauwerk höher hätte geraten sollen, weil sonst zum Heilig-Geist-Spital hin eine Schlucht entstanden wäre.“ Die einzige vorbehaltlose Zustimmung kam von der Büfett-Dame der Weinstube im Heilig Geist. „Also“, sagte sie, „also, mir gefällt‘s. Ich find‘s schön.“

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