15. November 1967: Steinerner Lobgesang

15.11.2017, 07:00 Uhr
15. November 1967: Steinerner Lobgesang

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Diesem unerfreulichen Zustand will Dr. Hanns Hubert Hofmann, Nürnberger vom Jahrgang 1923, Dozent für neuere und Landesgeschichte an der Universität Würzburg, Verfasser zahlreicher historischer Arbeiten, Träger des Nürnberger Förderungspreises 1966 – „NN“-Lesern durch manchen gehaltvollen Beitrag bereits bekannt – ein Ende setzen. In einer reichbebilderten Monographie – nicht weniger als 153 Photos, zeitgenössische Darstellungen und Bauskizzen ergänzen den beschwingten und reich fundierten Text – zeigt er den Werdegang dieser großartigen Stadtbefestigung, die viele Jahrhunderte lang immer wieder dem Stand es Militärwesens angepaßt wurde, und lehrt auch den Laien, ihre Funktionen zu sehen und zu verstehen („Die Nürnberger Stadtmaurer“, Verlag Nürnberger Presse, 15,80 DM)

Das auch drucktechnisch ausgezeichnet gestaltete Werk ist mit ebenso viel Sachkenntnis wie Liebe zu seinem Gegenstand geschrieben und es gibt am Beispiel der Stadtmauer ein gutes Stück Stadtgeschichte Nürnbergs. Den Wiederaufbau, die Erneuerung und Wiederherstellung nach den schweren Kriegszerstörungen – sieben Millionen DM wurden bis Ende 1965 von der Denkmalspflege des Hochbauamtes dafür aufgewendet – würdigt Dr. Hofmann im wesentlichen positiv.

Er stellt fest, daß der Eindruck des Mauerrings dadurch eher stärker und unmittelbarer geworden ist. Worauf es ihm dabei ankommt, schildert er im Schlußkapitel seiner fesselnden Arbeit: „Dabei geht es nicht einmal nur darum, die einzig erhaltene Großstadtumwehrung Europens, die stets auch eine der bedeutendsten gewesen war, gleichsam als ein riesiges Freilichtmuseum zu konservieren. Der hohe materielle Einsatz lohnte nicht für den Fremdenverkehr, ginge es nicht um ein höheres ideelles Gut.

Dieser Mauerzug, der in seinen einzelnen Teilen – den wiederhergestellten, wie den überkommenen und manchen seiner Reste – die Entwicklung eines nicht unwesentlichen Teils menschlicher Baukunst vom 14. bis zum 17. Jahrhundert so eindringlich demonstriert, ist nämlich mitformend geblieben am Bild der neuen Stadt. Der Wiederaufbau hat ihn. Der sie im 19. Jahrhundert noch durchtrennte, nun völlig eingebunden.

Zeugen und Wahrzeichen

Mehr denn zwanzig Generationen Nürnberger Bürger sind durch seine Tore geschritten, haben hinter seinen Mauern Schutz für friedliche Arbeit gefunden und dann an seinem Grüngürtel Entspannung gesucht, bis er jetzt Bindeglied des Verkehrs wurde. Seine verwitterten Steine, vom Rauch eines neuen Industriezeitalters geschwärzt, im Untergang der Altstadt schmerzlich zerrissen und auf dem Weg zu neuen Formen planerischer Gestaltung wieder entstanden, sind Zeugen und Wahrzeichen einer langen stolzen abendländischen Kultur. Jede Kultur aber verliert ihren Sinn, wirkt sie nicht, stets das Neue gestaltend, ein auf die Kommenden.

„Unsere Straßen klingen“, so bezeugte es der Nürnberger Dichter Karl Bröger, „von Stimmen alter und neuer Zeit“ – erst dadurch hat das Nürnberg diesseits und jenseits seiner altehrwürdigen Mauern nach der Mitte des 20. Jahrhunderts sein Gesicht wider und neu zugleich gefunden: „Unsere Stadt ist ein mächtiger steinerner Lobgesang.“

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