17. April 1967: Der Preis: Medaillen und Muskelkater

17.4.2017, 08:35 Uhr
17. April 1967: Der Preis: Medaillen und Muskelkater

© Gerardi

Meine Entschlossenheit wird leicht gedämpft, als ich sie alle sehe: die mehr als 2.000 Volksläufer und Marschierer aus allen Ecken und Enden Bayerns und den angrenzenden Provinzen. Manche von ihnen tragen eine ganze Brust voll von Volkslauf-Medaillen einher und scheinen von Kopf bis Fuß auf das Silber und Gold der "Nürnberger Zeitung" eingestellt zu sein.

17. April 1967: Der Preis: Medaillen und Muskelkater

© Gerardi

Mit ein paar Kollegen von den "NN" halte ich mich bescheiden im Hintergrund eines riesigen Feldes, als der Startschuß die Stunde der Wahrheit anläutet – so bescheiden, daß wir fünf als letzte durch das Marathontor spazieren. Nach ein paar hundert Metern schon drückt ein Rekrut a. D. in unserer Mitte derart aufs Tempo, daß der vorgesehene Morgenspaziergang nicht nur in einen Marsch, sondern gleich in einen Sturmlauf ausartet.

Die Sonne scheint so wundervoll, wie man sich‘s nur wünscht, wenn man nicht gerade Marschprüfung macht. Noch ehe eine frische Brise vom Dutzendteich herüberweht, steht mir schon der Schweiß in dicken Perlen auf der Stirne. Vielleicht hätte ich gestern abend das letzte Bier doch nicht mehr trinken sollen…

"Nie wieder Zigaretten", stöhnt mein Nachbar schon nach den ersten drei Kilometern der wilden Jagd, während sich eine mühsam auskurierte Blase an meinem Fuß in die Erinnerung zurückruft. Die Autofahrer in der Münchener Straße schauen auf uns so mitleidig herab, als hätten sie schon seit Jahren keinen Fußgänger mehr gesehen. Was ist das denn wohl für ein Gebirge? Der Weg steigt steirisch an – zum Schuttberg, den ich nie und nimmer für so hoch gehalten hätte.

Auf der Spitze bietet sich ein wundervoller Ausblick über die ganze Stadt, aber meinen Blick zieht‘s sehnsüchtig hin zum Wasser in den Flachweihern. Da müßte es schon kühl sein. Kaum dort angelangt, grüßte eine Fata Morgana aus der Ferne: das Bierzelt auf dem Volksfestplatz. Aber noch sind‘s sechs Kilometer bis ins Stadion.

Immer heißer wird‘s auf der Stirne und an den Sohlen. Doch die Silbermedaille lockt. Wer hat sich nur das teuflische Spiel einfallen lassen, die Marschierer direkt ans Stadion heranzuführen, sie aber noch drei Kilometer um die ganze Zeppelinwiese laufen zu lassen? Eine Stunde und 25 Minuten sind verstrichen, als ich die weiche Aschenbahn des Stadions wie eine Wohltat unter meinen Füßen verspüre. Die Prüfung ist bestanden, der ganze Kerl ein schweißtriefendes Bündel.

So schnell werde ich den 4. Internationalen Volkslauf der "Nürnberger Zeitung" "Rund um Dutzendteich" nicht vergessen. Dafür sorgt schon ein ausgewachsener Muskelkater.

Verwandte Themen


Keine Kommentare