17. Januar 1970: Versteigerung brachte Enttäuschung

17.1.2020, 07:00 Uhr
17. Januar 1970: Versteigerung brachte Enttäuschung

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Streitwert war ein neungeschossiges Hochhaus mit 39 Eigentumswohnungen und einer Tiefgarage sowie Stellflächen. Schon seit 1968 steht es unterhalb des Rathenauplatzes im Rohbau fertig, hat aber seitdem nur noch Gerichtsvollzieher statt Handwerker gesehen.

Die Firma Opel hatte die Forderungen ihrer Gläubiger nicht mehr erfüllen können. Das Konkursverfahren war „mangels Masse“ abgelehnt worden. Beim Versteigerungstermin gestern früh um 9 Uhr im Landgericht an der Fürther Straße gaben sich Gläubiger und Geschädigte im Saal 26 ein Stelldichein. Allein die Süddeutsche Bodenkreditbank beanspruchte über 1,2 Millionen Mark. Bankiers und Kaufleute machten ebenfalls Forderungen von weit über einer Million Mark geltend. Dazu kamen die Stadtkasse Nürnberg, die 2.930,93 Mark Steuern haben wollte, die städtische Bauverwaltung, die auf Kanalanschlußgebühren poch, und das Zentralfinanzamt, dem es um ausstehende Lohn- und Kirchensteuern ging.

Wie es die Grundbucheintragung vorschreibt, rangierte die Bodenkreditbank an erster Stelle. Der Kreis aber, der in der Hauptsache der Leidtragende ist, folgte erst auf Platz fünf: Leute, die vielleicht ein ganzes Leben lang gespart haben, um endlich ein eigenes Dach über dem Kopf zu haben und nun vor dem Nichts stehen.

Viele von ihnen hatten schon bis zu 80.000 Mark für eine Eigentumswohnung bei der Firma angezahlt. Trüb sieht auch die Zukunft für eine junge Nürnbergerin aus, deren mütterliches Erbteil in dem Hochhaus an der Äußeren Cramer-Klett-Straße steckt; sie selber wird das Gebäude auch nach seiner Fertigstellung wohl immer nur von außen sehen können.

Ein Münchner Kaufmann ersteigerte sich den Rohbau, dessen Wert von Sachverständigen auf 2,29 Millionen Mark geschätzt wird, für 2,5 Millionen Mark. Er wurde zu diesem Betrag gezwungen, weil sein Erstangebot von zwei Millionen Mark von einem Bankier um 300.000 Mark überboten worden war. Mit ihm lassen sich gerade noch die Hauptgläubiger befriedigen.

Da mit dem Besitzerwechsel die künftigen „Eigenheimer“ ihre Rechte verloren, bleibt ihnen kein anderer Weg, als die Baugesellschaft zu verklagen. Die aber hat, wie beim gestrigen Termin betont wurde, weder greifbaren Besitz noch Barvermögen. Das ist eine bittere Wahrheit.

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