1960: Die letzte Adler-Fahrt auf der alten Trasse

4.12.2010, 20:03 Uhr
1960: Die letzte Adler-Fahrt auf der alten Trasse

© Ulrich

Seit 1935 war der Adler nur gestanden, und zwar zumeist im Verkehrsmuseum, das die Dampflok bis heute beherbergt. 1935 war zuletzt ein großes Bahnjubiläum gefeiert worden, das einhundertste, und die damals herrschenden Nazis hatten sich das Fest für ihre Zwecke zurechtgebogen. Der in ihrem Auftrag rekonstruierte Adler — das Original von 1835 hatte sein Ende vermutlich auf einem Schrottplatz gefunden — absolvierte zwar eine Jubiläumsfahrt, diese führte aber nicht nach Fürth. Denn den Nazis war die Stadt (wegen ihrer zahlreichen Juden „Fränkisches Jerusalem“ genannt) ein Dorn im Auge.

Das alles sollte 1960 anders werden. Ein schönes Fest mit viel Prominenz sollte es werden, und selbstverständlich sollte auch Fürth in die Feier einbezogen werden. Doch würden der Adler die Strecke vom Plärrer zur Fürther Freiheit und wieder zurück schaffen?

Darüber sollte die erste nächtliche Probefahrt Aufschluss geben. Erleuchtet von zwei schwachen Petroleum-Funzeln und einer elektrischen Lampe am Schlot zuckelte das Bähnchen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h auf den Straßenbahngleisen in der Fürther Straße zuerst Richtung Plärrer und dann nach Fürth. Die Techniker in ihren verschmierten Arbeitsanzügen, die zuvor literweise Öl ins Adler-Getriebe gekippt und den Kessel mit Holz und später mit Kohle eingeschürt hatten, waren verzückt.

Strömender Regen

Am 7. Dezember war es dann soweit, die große Feier begann. 150000 Schaulustige kamen trotz strömenden Regens, um den Adler auf seiner alten, sechs Kilometer langen Strecke von Nürnberg nach Fürth zu erleben.

An Bord des historischen Zügleins, das sich unter Klängen schmetternder Marschmusik um neun in Bewegung setzte, befand sich „die höchste Obrigkeit, deren Wirtschaftswundergestalten kaum Platz finden wollten in den engen Abteilchen“, wie die Nürnberger Nachrichten süffisant schrieben.

Vorn auf der Lok stand derweil Peter Prem. Der 30-jährige Lokomotivführer trug einen schwarzen Zylinder und hatte weiße Handschuhe angelegt, so wie einst der Engländer und erste Adler-Führer William Wilson. „Ich war sehr aufgeregt“, erinnert sich Prem. „Man weiß ja nie, was passiert.“ Zunächst rumpelte der Zug auf den Straßenbahngleisen ohne Probleme Richtung Fürth. Kurz vorm Ziel, an der Rudolf-Breitscheid-Straße, kam es zur Panne, die alle befürchtet hatten. Der Zug hatte keinen Schwung und kam nicht um die Kurve. Noch bevor die eigens angeheuerten Bahnlehrlinge dem Adler wieder auf die Sprünge helfen konnten, waren schon die ersten prominenten Festgäste aus den Waggons gesprungen und schoben den Zug wieder an. Peter Prem hat sich nachher manche Vorwürfe und viel Spott anhören müssen, aber er betont noch heute: „Das hatte allein technische Ursachen.“

Kaum am Fürther Hauptbahnhof angekommen machte die Prominenz kehrt und fuhr im modernen Trans-Europa-Express bei Sherry und belegten Brötchen zurück nach Nürnberg, wo sich der mittlerweile eingetroffene Bundespräsident Heinrich Lübke zur Festgesellschaft hinzugesellte.

Der Adler fuhr dann später mit ganz normalen Bürgern zurück in die Noris. Es sollte die letzte Fahrt des Zuges auf seiner historischen Trasse bleiben, denn 1985, beim 150. Bahngeburtstag, waren die Schienen wegen des U-Bahnbaus zum Teil bereits herausgerissen.

Eine kleinkarierte Provinzposse wegen einer protokollarischen Panne überschattete schließlich das glanzvolle Jubiläum. Nürnbergs OB Andreas Urschlechter fühlte sich „desavouiert“, weil er beim Festakt mittags nicht zu seinem Platz geleitet und bei der Festansprache nicht begrüßt worden war. Auch zweiter Bürgermeister Hans Haas war beleidigt. Für ihn war kein Stuhl in der ersten Reihe reserviert worden, und die dritte Reihe, in der man ihm einen Platz anbot, war ihm zu weit hinten. Wütend blieben beide der abendlichen Jubiläumsfeier fern, was viele Buhrufe und selbst beim Bundespräsidenten Kopfschütteln hervorrief.



Das 175. Bahnjubiläum wird am 7. Dezember in einer geschlossenen Veranstaltung mit Bundesdkanzlerin Angela Merkel im DB Museum und im Schauspielhaus gefeiert. Am Wochenende 11./12. Dezember finden für die Öffentlichkeit Feiern im Hauptbahnhof und im DB Museum statt.

 

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