20. August 1966: Im Stadtrat geht es nun um das Geld

20.8.2016, 09:00 Uhr
20. August 1966: Im Stadtrat geht es nun um das Geld

© Ulrich

Wegen der Ebbe in der städtischen Kasse wird das 50köpfige Ratskollegium zunächst zu klären haben, welche Bauvorhaben von der langen Wunschliste gestrichen werden und welche eindeutig den Vorrang bekommen sollen. Möglicherweise entscheidet sich der Stadtrat auch dazu, Rohbauten nur noch unter Dach und Fach zu bringen und einstweilen im halbfertigen Zustand besseren Zeiten entgegenschlummern zu lassen. Auch ein dritter Weg bliebe noch offen: die Aufträge könnten langsamer als bisher üblich vergeben werden, um den kommunalen Geldbeutel zu schonen.

Im Rathaus geht es im September um eine wichtige Entscheidung, denn der Bauherr "Stadt Nürnberg" muß sich nach der kürzer gewordenen Decke strecken. Welchen Weg die Vertretung der Bürgerschaft auch einschlagen mag, um die kommunale Bautätigkeit mit dem vorhandenen Geld abzustimmen: es wird im Sitzungssaal vermutlich heiße Debatten geben und um jeden Pfennig gerungen werden. Schließlich laufen zur Zeit viele Hochbau-Projekte. Allein die "dickeren Brocken" kosten rund 51 Millionen Mark, bevor sie fertiggestellt sind.

Zusammen für 19 Millionen DM

"Wir bauen viel, insbesondere auch eine Reihe von Volksschulen", berichtet Oberbaudirektor Dr. Hans Krätschmer. Nach seiner Rechnung werden noch in den beiden nächsten Monaten der zweite Abschnitt der Volksschule Schlößleinsgasse, der Endausbau der Adalbert-Stifter-Schule in Langwasser, die neuen Schulhäuser an der Merseburger Straße und am Hummelsteiner Weg, der Erweiterungsbau für die Wahlerstraße in Schniegling und der zweite Bauabschnitt der Berufsschule III an der Sulzbacher Straße vollendet.

Außerdem beabsichtigt die Stadt (kommt der Zeitplan nicht durcheinander), die Volksschule für die Parkwohnanlage Zollhaus sowie die beiden großen Anlagen an der Berta-von-Suttner-Straße und auf der Insel Schütt bis zum Jahresende im Rohbau fertigzustellen. Das Hochbauamt hat zusammengerechnet: allein 19 Millionen Mark müssen für diese Projekte noch aufgebracht werden.

Es gilt jedoch als sicher, daß der Stadtrat versuchen wird, die Volksschul-Neubauten auf Biegen und Brechen "über die Runden zu bringen". Denn so nahe vor dem ersehnten Ziel, den Schichtunterricht - wenigstens, was die Zahl der verfügbaren Klassenzimmer angeht - endlich zu beseitigen, gibt niemand auf. In der Aufstellung des Hochbauamtes wird dagegen nichts mehr vom Erweiterungsbau für das Sigena-Gymnasium erwähnt, der mit 2,3 Millionen Mark zu Buche steht und für den heuer schon eine Million Mark bereitgestellt werden sollte.

Dafür kann das Hochbauamt eine Reihe anderer, millionenschwerer Bauvorhaben sozusagen aus dem Ärmel schütteln: 15,5 Millionen Mark für den Bau 14 der Krankenanstalten, der neben dem Y-Bau entsteht und die Bettennot lindern helfen soll. 2,5 Millionen Mark müßten noch für den zweiten und dritten Bauabschnitt der Großschlachtanlage im Schlachthof ausgegeben werden, zehn Millionen Mark würde das Sport- und Hallenbad Süd noch kosten und vier Millionen Mark das Gemeinschaftshaus Langwasser, dessen Baustelle sich neben der Paul-Gerhardt-Kirche befindet. Alle Summen allein für den Rohbau, wohlgemerkt. Es wäre denkbar, daß der Stadtrat gerade bei den beiden letzten Vorhaben den Hobel ansetzt, die Bauten einfach stilllegt und wartet, bis die Periode der teuren Kredite vorbei ist und wieder "billigere Zeiten" angebrochen sind.

Der Traum vom Wöhrder See

Aber die Stadt baut nicht allein Häuser für mancherlei Zwecke. Sie gibt die Mittel aus dem außerordentlichen Haushalt, der 1966 einschließlich des Nachtragshaushalts bei 141,1 Millionen Mark angelangt ist, beispielsweise auch dafür aus, daß im Klärwerk I aus schmutziger Brühe wieder reinliches Wasser wird. Oberbaudirektor Dr. Krätschmer schätzt den nötigen Aufwand für die jetzt laufenden Projekte auf rund 1,2 Millionen Mark. Große Beträge verschwinden im Erdboden, denn die Stadt braucht eine leistungsfähige Kanalisation.

Der Autofahrer wünscht möglichst gute und breite Straßen. Der neue Wöhrder Talübergang ist eines von den vielen Beispielen, die dafür angeführt werden können. Ob allerdings die Träume von Wöhrder See, für den die Brücke das Wehr bildet, in naher Zukunft wahr werden, ist reichlich ungewiß. Daran ändert auch das Scherflein nicht, das der Regierungsbezirk Mittelfranken dazu beisteuert. Hier könnte es den Stadträten einfallen, den Rotstift in die Hand zu nehmen. Denn ein See bei Wöhrd ist weniger wichtig als ein zweites Krankenhaus in Langwasser.

Doch damit nicht genug. Man braucht nur hineinzugreifen in die Fülle der Aufgaben, vor denen Nürnberg steht und die es zum Teil bereits anzupacken begonnen hat. Von der Reihe "kleineren" Plänen wie die Umstellung der Müllabfuhr auf das Tonnen-System - von den dafür notwendigen vier Millionen Mark sind bereits 3,5 Millionen aufgebracht worden - reicht die Skala bis zum Bau von Fürsorgewohnungen, deren erste Rate von 3,5 Millionen Mark vom Stadtkämmerer zu einem guten Teil bereitgestellt worden ist.

20. August 1966: Im Stadtrat geht es nun um das Geld

© Ulrich

Aber das sind nur "kleine Fische" im Vergleich zum Vorhaben, eine Müllverbrennungsanlage zu bauen, weil für den Abfall einfach kein Platz mehr vorhanden ist. Die Stadt hat für die von den Städtischen Werken errichtete "Mülloper" inzwischen fast sieben Millionen Mark angelegt und muß noch rund 37 Millionen finanzieren.

Noch schwerer lastet der Bau des Staatshafens auf dem Stadtsäckel. Zwar knüpfen sich an ihn und an die Großschiffahrtsstraße hohe wirtschaftliche Erwartungen, so daß sich die Belastung vielleicht besser ertragen läßt. Aber etwa 95 Millionen Mark wollen von der Stadt erst einmal aufgebracht sein. Denn soviel kostet einschließlich der eingebrachten Grundstücke und der Umsiedlung der Bevölkerung das Prädikat "Hafenstadt".

Wo aber soll in dieser Ausgabenliste, die keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, noch eine freie Spanne bleiben, um in den kommenden Jahren auch den Bau einer Untergrundbahn zu finanzieren? Schließlich spielt es bei runden 600 Millionen Mark keine Rolle mehr, ob das Land Bayern den Nürnbergern ein Drittel als Zuschuß gibt und der Betrag nicht auf einmal aufgebracht werden muß. Auch 400 Millionen Mark sind kein Pappenstiel.

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