21. Februar 1966: Freud und Arbeit gleichermaßen

21.2.2016, 07:00 Uhr
21. Februar 1966: Freud und Arbeit gleichermaßen

© Kammler

Da bekommt der Fasching dann plötzlich eine gestrenge amtliche Miene, da beobachtet man Menschen, die hart arbeiten müssen, damit andere den Alltag vergessen können. Wir sind diesem Drum und Dran einmal nachgegangen und haben uns mit Gastronomen und der Gema, mit Musikern und Kellnern, Beamten und Garderobenfrauen unterhalten. Wir haben viele Zahlen notiert und manches dazugelernt. Die Erkenntnisse, die wir gewonnen haben, sollen im folgenden Bericht fröhlich-ernst, so wie dieses Wochenende ist, geschildert werden.

Nach Artikel 20 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes vom 17.11.1956 sind öffentliche Vergnügungen genehmigungspflichtig. Was tut also ein Vereinsvorsitzender, der für seine Mitglieder einen Kappenabend plant? Am besten geht er zu seinem Vereinswirt und sagt: „Schau, daß alles in Ordnung geht!“

Der Wirt wird dann das Amt für öffentliche Ordnung aufsuchen oder dort anrufen und melden, daß er am Faschingssamstag einen Kappenabend für die Glühwürmchenfreunde veranstalten will. Das Ordnungsamt wird dem Verein das Vergnügen gönnen und dafür eine Verwaltungsgebühr verlangen, die sich nach der Größe des Lokals richtet. Das Entgelt, das Tanzerlaubnis einschließt, beträgt für Lokale der gängigen Größe (70 qm) 7,50 DM. Soll die Polizeistunde bis 2 Uhr verlängert werden, erhöhen sich die Gebühren um 10 DM, bis 3 Uhr um 12,50 DM und bis 4 Uhr um 20 DM.

Die Krux mit der Vergnügungssteuer

Der nächste Weg führt den Wirt dann zum Städtischen Steueramt, Abteilung Vergnügungssteuer. Dort wird man ihn fragen, ob die Glühwürmchenfreunde unter sich fröhlich sein wollen oder ob sie Eintritt verlangen. Sind keine Karten vorgesehen, richtet sich die Vergnügungssteuer wiederum nach der Größe der Stätte des Vergnügens. Sie beträgt im Fasching pro zehn Quadratmeter und pro Abend 90 Pfennig. Ist der Zutritt dagegen nur mit bezahltem Billett gestattet, müssen die Karten zum Steueramt gebracht und dort abgestempelt werden. Die Gebühr: ein Viertel des Eintrittspreises. Beim Presseball waren es 50 DM. Dieses Fest ist aber auch für die Steuer nur einmal im Jahr!

Dazu noch einige Zahlen: Das Amt für öffentliche Ordnung hat in dieser Saison weit über 800 Faschingsveranstaltungen mit Tanz, rund 280 vereinsinterne Vergnügen und über 50 Kindermaskenfeste registriert, das Steueramt nahezu 200.000 Eintrittskarten gestempelt.

21. Februar 1966: Freud und Arbeit gleichermaßen

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Das Amt für öffentliche Ordnung meldet der Ordnung halber die genehmigten Veranstaltungen dem Steueramt und der Polizei. Das Steueramt darf aber soviel Kollegialität nicht mit gleicher Münze zurückzahlen. Das Steuergeheimnis verbietet es. Wer aber denkt, er könnte das eine Amt gegen das andere ausspielen, riskiert einiges, denn das Steueramt schickt Kontrollbeamte in die Faschingsnächte, und wer da auffällt, muß mit einer Strafe rechnen, die den vermeintlich eingesparten Betrag aufwiegt. Tusch und: „Steuerschwindel lohnt sich nicht im Fasching ...“

Strenges Auge der Gema

Als Fachmann, der keinen Ärger haben will, hat unser Wirt den Kappenabend längst auch der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) angekündigt. Dort gelten ähnliche Grundsätze wie bei der Steuer: Das Entgelt für die Kunstschaffenden richtet sich nach dem Eintrittsgeld. Der Kappenabend in der untersten Tarifstufe kostet 7,20 DM, egal, ob ein Akkordeonsolist oder die Musikbox spielt. Für eine Ballnacht in sämtlichen Räumen des Hotels „Deutscher Hof“ hat der Gastronom dagegen 216 DM zu entrichten, sofern die Eintrittspreise zwischen 5 und 8 DM liegen.

Die Gema, noch vor einigen Jahren häufig mißverstanden, hat sich inzwischen mit Unterstützung des Gesetzgebers durchgesetzt. Man sieht ein, daß auch geistige Leistungen ihres Lohnes wert sind. Nicht auszudenken, wenn es im Fasching „Humba-Humba“ nicht gäbe.

Für die Manager des Vergnügens hat der Fasching 1967 schon begonnen. Sie haben Veranstaltungstermine vereinbart, Kapellen verpflichtet und tüchtige Aushilfen gebeten, im nächsten Jahr bestimmt wiederzukommen. Im übrigen kennen sich Saalvermieter und Vereinsvorstände so gut, daß jeder weiß, was der andere bei diesem und jenem Ball wünscht und was vom Publikum verlangt wird. Danach richtet sich das Sortiment der Getränke und das Angebot an Speisen, etwa der Weißwürste um Mitternacht.

„Da geht’s dann vielleicht rund“, erinnern sich die Kellner vom Kulturverein, die ebenso wie ihre Kolleginnen und Kollegen in den anderen Sälen und Lokalen schon viele anstrengende Wochenenden hinter sich haben und jetzt zum Endspurt ansetzen. Sie finden es außergewöhnlich, daß sich ein Journalist nach ihren Wünschen und Sorgen erkundigt. „Das ist doch unser Beruf“, erklären sie. „Zugegeben, jetzt wird es hart, aber die paar Tage gehen auch vorbei.“

21. Februar 1966: Freud und Arbeit gleichermaßen

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Wenn ein Ball „läuft“, vergeht die Zeit für die dienstbaren Geister rasch. „Aber die Vor- und Nacharbeit sieht keiner“, sagen die Kellner. „Wir müssen Stunden vorher da sein, Tische decken, Gläser, Aschenbecher und Sektkübel aufstellen und auf die Gäste warten. Im Anfang lassen sich alle Zeit mit der Bestellung, dann aber heißt es sogar beim Faschingsball: schnell, schnell, Herr Ober.“

Kleine Sorgen haben alle Kellner. Der eine klagt über die „schummrige Dekoration“, die so schwach beleuchtet sei, daß man den Wert des Geldes nur schwer erkennen könne. Daran hat die Feuerwehr vermutlich nicht gedacht, als sie den Schmuck der Säle nach den Gesichtspunkten des Brandschutzes begutachtete und nichts zu beanstanden hatte. Daran denken sicher auch nicht die Maskierten, denen dieses Licht besonders gut gefällt.

Viel Arbeit nach Feierabend

Wenn Feierabend ist, so um drei oder vier Uhr in der Frühe, müssen noch Gläser gespült und die Tische abgeräumt werden. Bei 800 Ballbesuchern rechnet man mit 2.400 benützten Gläsern! Etwa eine Stunde nach dem letzten Gast verlassen die Kellner ihre Arbeitsplätze. Der späte Feierabend erscheint ihnen aber nicht so nervenzehrend wie die Musik, die ablenke und die Konzentration störe.

Die konzentrierte Tonfolge ist aber gerade das Geheimnis erfolgreicher Kapellen. Die meisten Bands bestehen aus Amateuren. Verschiedene Musiker sind auch „Halbprofis“, die Musik studiert haben, es aber vorzogen, nicht von der Tonkunst allein zu leben. „Im Fasching brauchen wir eine unheimliche Kondition“, gestehen die Männer mit den zwei Berufen.

Kapellen, die auf ihren Ruf bedacht sind, betreten nicht einmal im Fasching ohne Lampenfieber die Bühne. Sie wissen, daß ihr Publikum etwas von ihnen erwartet. Ein Band-Leader mit Einfühlungsvermögen tastet sich sorgsam vor, studiert, was „ankommt“ und bemüht sich dann, die Leute zu packen. Dann schaltet er auf die „Wellenlänge“, die verlangt wird. Einen neuen Schlager der Saison scheint es in diesem Jahr nicht zu geben. „Balla-Balla“ und „Humba-Humba“ liegen vorn, „weil sie so einfach sind, daß sie ein jeder versteht.“

Wenn die Musiker endlich ihre Instrumente zusammenpacken, füllt der Kapellmeister einen Fragebogen der Gema aus, auf dem er angeben muß, welche Stücke er wie oft gespielt hat. Auch der Alleinunterhalter mit dem Akkordeon beim Kappenabend denkt über einem solchen Formular nach und überlegt, ob der Himmel am Rhein an diesem Abend bei ihm nun zehn- oder elfmal „kornblumenblau“ war.

Die Nachtarbeit im Fasching ist hart. Wer sich plagen muß, verdient im allgemeinen ordentlich. In der Meistersingerhalle, Nürnbergs größter Vergnügungsstätte, gibt es aber auch Menschen, die sich bis früh am Morgen unentgeltlich für andere bereithalten. Sechs Männer und Frauen aus dem Johanniter- und Malteserhilfsdienst sowie aus dem Arbeiter-Samariterbund erscheinen abwechselnd im Ballgetriebe, helfen mit einem Kopfwehpulver aus und packen zu, wenn jemand ohnmächtig werden sollte. Für Alkoholfolgen sind sie allerdings nicht zuständig.

Und wie sieht schließlich der Mann am Regiepult, Tontechniker Hugo Lößlein, den Fasching in der Meistersingerhalle? Von seinem idealen Beobachtungsstand aus kann er sich ein sicheres Urteil bilden. Er findet, daß der festliche Charakter des Hauses selbst Narren Respekt einflöße. Diese Ehrfurcht vor dem „genius loci“ könne nur der Alkohol nach und nach verscheuchen.

Ähnliche Erfahrungen machen auch die Kellner, die in mehreren Lokalen bedienen. Je enger – desto mehr Stimmung! Deshalb noch ein guter Rat für die nächsten Tage: zusammenrücken!

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