21. November 1965: "Schorschi" und Lucie

21.11.2015, 07:00 Uhr
21. November 1965:

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Beide waren sich aber vorher schon als Parlamentarier bekannt: er als Wirtschaftsexperte, sie als „Bundes-Kaffeetante“. Lucie Beyer-Kurlbaum hat ihren Spitznamen weg, seit sie sich sechsmal dafür eingesetzt hat, daß die Kaffeesteuer gesenkt wird. Ihre Mühen blieben jedoch ohne Erfolg. An den Trichter mit der Kaffeesteuer war die SPD-Abgeordnete bei der Reise einer offiziellen Bundestagsdelegation nach Westafrika erneut erinnert worden, bei der ihr die Einheimischen immer wieder sagten, daß sie mehr Kaffee nach Deutschland exportieren wollen. Dabei konnten sich die Schwarzen auf Reden von Lucie Beyer im Bonner Parlament berufen, die sie ihr wortwörtlich vorlasen.

Eine andere Anekdote im Leben der 51jährigen, die schon mit 17 Jahren Mitglied der SPD war und seit 1953 Sitz und Stimme im Bundestag hat, rührt ebenfalls von der Reise in den dunklen Kontinent her. Bei einem Gespräch versuchten Stammeshäuptlinge, die Lucie von ihren Kollegen gegen eine ganze Herde Rindvieh einzuhandeln. Bei der namentlichen Abstimmung anläßlich der Bundestagswahl meinte jedoch ihr Fraktionskollege Heinemann: „Wie gut, daß wir die Lucie mit nach Hause gebracht haben, sonst müßten jetzt 22 Kühe zur Urne gehen!“

Die Lucie hat ihren Schorschi, wie Freunde den Metrawatt-Direktor Georg Kurlbaum nennen, aber nicht etwa bei Ausflügen in die große Welt, sondern in der harten Bonner Arbeit kennen und schätzen gelernt. „Er ist mir zum erstenmal bei der Beratung des Kartell-Gesetzes aufgefallen, als er sich für den niedrigsten Prozentsatz beim marktbeherrschenden Anteil von Unternehmen einsetzte“, erzählt sie. Das heutige Ehepaar saß damals im Ausschuß nebeneinander, und die frischgebackene Frau Kurlbaum empfand es als imponierend, daß er nach der erfolgreichen Kampfabstimmung über diesen Streitpunkt sagte: „Ich muß erst mal sehen, ob wir (die Metrawatt) nicht auch darunter fallen!“

In diesem Verhalten liegt schon eine Antwort auf die Frage, ob Unternehmer und SPD-Politiker in einer Person nicht ein Widerspruch in sich selbst sei. „Ich bin 1946 nicht in die SPD eingetreten, um wirtschaftliche Interessen zu vertreten, sondern weil mir damals wie heute die Partei am besten befähigt schien, aus Deutschland eine echte Demokratie zu machen“, meinte Kurlbaum. Auf der anderen Seite ist der gebürtige Berliner und Wahl-Nürnberger mächtig stolz darauf, daß er schon vor 13 Jahren seine Partei dazu bringen konnte, den Leistungswettbewerb zu fördern.

Das Paar hegt keine Sorge, daß es ihm in der Ehe langweilig werden könnte. Seine politischen Interessen sind zu sehr ineinander verzahnt. Er gehört seit 1949 dem Wirtschaftsausschuß, sie von Anbeginn ihrer Bonner Karriere dem Finanzausschuß an. „Wir reden ständig über die Politik“, sagen sie wie aus einem Munde. Und allzu viel Zeit haben die beiden nicht, um miteinander zu sprechen, denn sogar im Bundestag sitzen sie getrennt.

In Bonn aber haben Georg und Lucie Kurlbaum wenigstens noch eine gemeinsame Wohnung. In ihrer Freizeit aber müssen sie sich um ihre Wahlkreise kümmern, die Hunderte von Kilometern voneinander entfernt liegen. Kein Wunder, wenn sie einhellig behaupten: „Wir haben immer ein volles Programm!“

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