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22. Juli 1971: Empörte Mütter stürmten das Rathaus

22.7.2021, 07:00 Uhr
22. Juli 1971: Empörte Mütter stürmten das Rathaus

© Ranke

Das Schlimmste: dieser Zornesausbruch über Nürnbergs Schulraummisere wird voraussichtlich in Millionen Wohnzimmern auf der Mattscheibe flimmern. Ganz Bayern ist sozusagen Zeuge. Denn das Bayerische Fernsehen, das zur gleichen Stunde Direktor Eduard Rudolf über die Situation der Berufsschulen interviewen wollte, richtete seine Kamera auf die Protestversammlung.

Star der Sendung wird vermutlich Margret K. sein, die resolute Mutter, die sich mit den Schulproblemen ihres Kindes einfach nicht abfinden will. Sie und die übrigen Eltern bekamen es übrigens nach zweieinhalb Stunden schwarz auf weiß: die Stadt wird den Kinderpflegerinnen auf jeden Fall helfen. Worum aber ging es überhaupt?

Etwa 32 Kinderpflegerinnen war zugesagt worden, daß sie in der Berufsfachschule den Zug A besuchen dürften, an dessen Ende die mittlere Reife steht. Erst die mittlere Reife gewährleistet, daß sich eine Kinderpflegerin zur Kindergärtnerin oder zu anderen Spezialaufgaben entfalten kann. Die Zusage war bereits im vorigen Jahr gegeben worden, das heißt: einige der Mädchen haben bereits ein Jahr verloren. Die übrigen besuchten bis jetzt die Berufsfachschule, Zug B.

Am Ende des Schuljahres kam die Hiobsbotschaft, vom Schulamt auf knappste Form in zwei dürren Sätzen formuliert: „Sie können den Zug A mit mittlerer Reife nicht besuchen.“ Da platzte den Eltern der Kragen: im Rathaus forderten sie energisch, daß eine Sonderklasse gebildet wird, in der die Mädchen – die zum Teil ganz glänzende Noten vorweisen können – endlich die versprochene mittlere Reife erlangen können.

Die Absage war vom Schulamt wegen zwingender Raumnot gegeben worden. Jetzt entschlossen sich Kulturreferent Dr. Hermann Glaser und Direktor Eduard Rudolf zu einer schriftlichen Zusage, für die Kinderpflegerinnen eine Sonderklasse einzurichten, damit sie doch noch zu ihrer mittleren Reife kommen.

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