22. Oktober 1967: Lanze für Landsleute

22.10.2017, 08:42 Uhr
22. Oktober 1967: Lanze für Landsleute

© Ulrich

Der 45 Jahre alte Kaufmann Arno Hamburger, 2. Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde, darf für sich in Anspruch nehmen, die Fragen nach bestem Gewissen beantwortet zu haben und der Tendenz der Sendung nicht gefolgt zu sein. Er hat eine Lanze für seine Landsleute gebrochen und ihnen bescheinigt, daß er sich in ihrer Gesellschaft wohl fühlt.

Arno Hamburger hätte allenfalls Grund, dem Zweiten Deutschen Fernsehen etwas böse zu sein, daß den irreführenden US-Bericht kritisch unter die Lupe genommen hat. Ihm ist bei der Übersetzung des englischen Textes eine Panne unterlaufen.

„Merken Sie persönlich etwas von Antisemitismus?“ hatte der Amerikaner beim Gespräch auf der Bezirkssportanlage an der Holzschuherstraße wissen wollen. „Darauf hab‘ ich wahrheitsgemäß mit Nein geantwortet“, berichtet Arno Hamburger, der wie sein Vater in Nürnberg geboren wurde. Er blieb bis 1939 hier, kämpfte später in Afrika auf englischer Seite und kehrte sofort nach Kriegsende in seine Heimatstadt zurück.

„Es legt uns hier niemand etwas in den Weg. Wir stehen mitten im Leben dieser Stadt und wenn ich als Vertreter der Kultusgemeinde zu Behörden komme, wird uns nach Möglichkeit geholfen“, begründet der 45jährige – übrigens Inhaber des goldenen Sportabzeichens und Mitglied beim Metzgerbund Maxfeld – seine Haltung. Er fährt mit einem Bekenntnis fort: „Ich bin da daheim. Ich bin ein Nürnberger und deshalb laß‘ ich auf Nürnberg nichts kommen.“

Das Zweite Deutsche Fernsehen hat nun die Frage von Hughes Rudd mit „Gibt es noch Antisemitismus?“ übersetzt und ihr damit einen anderen Sinn gegeben. Arno Hamburger hätte darauf auch anders geantwortet. „Ja, aber nicht stärker als überall auf der Welt, höchstens gefährlicher, weil die Deutschen alles mit besonderer Akribie betreiben“: so wäre die Antwort bei dem Gespräch ausgefallen, das der Kaufmann als Privatmann und nicht als Vertreter der Kultusgemeinde geführt hat.

Ihm war auch nicht bekannt, in welch abträglicher Manier der Amerikaner zu berichten beabsichtigte. Arno Hamburger sah keinen Grund, dem Interview auszuweichen, zumal er 1966 schon einmal Rede und Antwort gestanden hatte in einer Sendung, die in den USA – das entnahm er den Zuschriften – sehr gut angekommen war.

Doch die Sportplatzunterhaltung lief anders. „Plötzlich hab‘ ich gemerkt, daß er eingleisig fuhr. Ich hab‘ mir gedacht: „Du rutsch mir den Buckel herunter. Ich laß‘ mich doch nicht aufs Butterbrot schmieren.“ Schließlich bin ich nicht bereit, mich von irgend jemand für irgendwelche Zwecke benutzen zu lassen“, erklärt der jüdische Mitbürger, der dafür bekannt ist, daß er ohne viel Federlesens sagt, was er denkt. Er brach deshalb das Interview kurzerhand ab. Später merkte er, daß er richtig gehandelt hatte, denn Behauptungen, daß ein Drittel der Nürnberger Nachkriegsgeneration keine Juden in Regierungsämtern sehen möchte, vermag Arno Hamburger einfach nicht zu glauben.

Im übrigen will auch Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter zur rechten Zeit noch ein klares Wort zur CBS-Sendung sagen. Er hat dazu die 20-Jahr-Feier des Amerika-Hauses am 11. und 12. November ausersehen, jener Institution, die – auch mit dem Geld, das die Stadt Nürnberg gibt – den Deutschen ein ungetrübtes Bild von den Vereinigten Staaten vermittelt. Das Stadtoberhaupt wird bei dieser Gelegenheit die Öffentlichkeit über die Schritte unterrichten, die inzwischen schon unternommen worden sind.

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