27. Mai 1967: Die Polizei kommt ganz zivil

27.5.2017, 08:49 Uhr
27. Mai 1967: Die Polizei kommt ganz zivil

© Gerardi

Die unauffälligen Streifen im Privatwagen erfüllen aber eine wichtige Aufgabe für die Verkehrssicherheit, denn sie spüren gerade jene Zeitgenossen auf, die sich beim Anblick eines Polizeiwagens fromm wie Lämmer benehmen, aber rücksichtslos wie Rowdys fahren, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. "Es muß im Interesse jedes ordentlichen Verkehrsteilnehmers liegen, daß wir Leute am Steuer bestrafen, die zu einer Gefahr für alle anderen werden", meint Polizeipräsident Dr. Horst Herold.

27. Mai 1967: Die Polizei kommt ganz zivil

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Obwohl Zivilstreifen und Zivilwagen längst nicht mehr neu sind, die Meinungen über sie sind geteilt wie am ersten Tag. Die verantwortlichen Männer im Polizeipräsidium glauben freilich, daß sich die Zivilstreifen bewährt haben und daß ihre Arbeit von der Bevölkerung auch geschätzt wird. Sie können auf Anrufe und Brief verweisen, in denen von Bürgern ausdrücklich darum gebeten wird, bestimmte Straßen im Auge zu behalten, weil dort zu schnell gefahren wird. "Je mehr wir den gefährlichen und rücksichtslosen Fahrern auf die Finger schauen, desto gefahrloser und sicherer wird das Fahren für alle werden", sagt die Leitung der Verkehrsstreifengruppe aus ihrer Erfahrung. Wenn bestimmte Stellen eine Zeitlang überwacht worden sind, so hat sich dort stets die Verkehrsdisziplin gebessert.

Die Zivilstreifen richten ihr besonderes Augenmerk auf sogenannte unfallträchtige Delikte wie Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, falsches Verhalten an Zebrastreifen, Verletzung der Vorfahrt, verkehrswidriger Fahrspurwechsel, falsches Überholen und Nichtbeachten der Lichtsignale. Sie schreiten mit gebührenpflichtigen Verwarnungen an Ort und Stelle oder per Brief ein und zeigen in schwereren Fällen den Sünder an. Manchmal aber lassen die Beamten die Sache auch mit einem mahnenden Wort abgehen.

27. Mai 1967: Die Polizei kommt ganz zivil

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Trotzdem kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und den Autofahrern, den der Ertappte gerät häufig in Harnisch. "Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Mensch erregt ist, wenn er wegen irgendeiner Übertretung zur Verantwortung gezogen wird, doch muß das nicht so weit gehen, daß er die Beamten Spitzel und Spione, Räuber und Gestapo-Knechte nennt", meint der Präsident.

Selbst die Verkehrsverbände und die Automobilklubs, die anfänglich den Zivilstreifen skeptisch und ablehnend gegenübergestanden haben, mußten einsehen, daß dieses Verfahren notwendig ist; sie bemühen sich neuerdings sogar, ihren Mitgliedern die Notwendigkeit und die guten Seiten dieses Streifendienstes beizubringen. "Wir müssen der Bevölkerung klarmachen, daß jeder Verkehrssünder dem Verbrechen hilft, weil er uns zu einem stärkeren Einsatz auf den Straßen zwingt", sagt Dr. Horst Herold.

In Nürnberg kreuzen je zwei Zivilwagen der vier Polizeireviere und zwei der Verkehrsstreifengruppe durch die Straßen. Als einzigen Hinweis auf ihren Besitzer tragen sie neben dem vorderen Kennzeichen einen kleinen Polizeistern, der während der Fahrt kaum zu sehen ist. Eingeweihte erkennen aber die Fahrzeuge auch an der UKW-Antenne auf dem Dach über dem Rückfenster. Die Beamten sind bemüht, sich so gut wie möglich zu tarnen: sie nehmen im Wagen ihre Mützen ab und ziehen bei sommerlicher Witterung auch noch die Jacken aus.

Wir waren mit "Rudolf 5/18" zweieinhalb Stunden lang unterwegs, um uns vom Tun und Treiben der Zivilstreifen einen Eindruck zu verschaffen. Vom Polizeipräsidium aus geht die Fahrt zügig durch die Fürther Straße über die Jansen-Brücke zur Rothenburger Straße. "Im Unterschied zu den Funkstreifen fahren wir ebenso schnell wie die anderen Wagen, denn nur auf diese Weise fallen wir nicht auf", sagt der Beamte am Steuer.

An der Kreuzung Knauer-/Rothenburger Straße stehen wir hinter einem Lieferwagen, der schon beim Ampelzeichen "Gelb" losbraust. Er wird in der Fürther Straße gestellt. Während der eine Beamte den Fahrer ermahnt ("Die Sache war nicht so schlimm, weil sich kein anderes Fahrzeug auf der Kreuzung befand"), schaut sich ein Kollege den Zustand des Wagens näher an, wie dies in solchen Fällen immer geschieht.

Am Laufer Torgraben drückt eine junge Dame aus Schwabach kräftig aufs Gaspedal, so daß der Verkehrspolizist den Fahrtenschreiber einstellen muß. Die schnelle Frau wird bis zur Beckschlagergasse verfolgt und gestoppt. Sie muß sich schwarz auf weiß zeigen lassen, daß ihr Wagen auf einer kurzen Strecke bis zu 77 Stundenkilometer gefahren ist, und dafür mit barer Münze büßen. An der Kreuzung Pirckheimer-/Maxfeldstraße lassen wir uns für eine geraume Weile auf einer breiten Gehsteigzunge nieder, um zu sehen, ob hier die Vorfahrt beachtet wird. Einmal greifen die Beamten zum Notizblock, weil ein Wagen nur knapp vor einem anderen über die Pirckheimerstraße gehuscht ist - und das bei regennasser Fahrbahn.

Als nächstes wird der Zebrastreifen auf dem Obstmarkt beobachtet, denn dort kommen die Fußgänger nicht immer zu ihrem Recht. Am Ende der kleinen Rundreise bezieht einer der beiden Beamten mit einem Photoapparat am Friedrich-Ebert-Platz für kurze Zeit Posten, um jene Wagen im Bilde festzuhalten, die sich nicht um die durchgehende Nagelspur in der Fahrbahnmitte kümmern und damit den entgegenkommenden Verkehr gefährden.

Wo immer es geht, hält die Polizei Verkehrssünder an, denn sie möchte "anonyme Schüsse aus dem Dunkeln" vermeiden. Schließlich sieht sie die vornehmste Aufgabe aller Zivilstreifen darin, Fahrer und Fußgänger zu einem vorschriftsmäßigen und rücksichtsvollen Verhalten im Verkehr zu bewegen.

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