27. Oktober 1966: Mehr Freiheit für die Fußgänger

27.10.2016, 07:00 Uhr
27. Oktober 1966: Mehr Freiheit für die Fußgänger

© Gerardi

Als Ideal schwebt der Stadt ein „Boulevard“ für Fußgänger vom Hauptmarkt bis zum Aufseßplatz vor, der freilich erst in vielen Jahren nach und nach entstehen und „zu einem Kulminationspunkt des urbanen Lebens“ (so Baureferent Schmeißner) wachsen kann. „Frohen Mutes“ erklärte sich der Stadtrat zunächst einstimmig einverstanden, daß die Breite Gasse – vorerst nur verkehrsfrei – zur Fußgängerstraße erhoben wird.

27. Oktober 1966: Mehr Freiheit für die Fußgänger

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Dieses Ja fiel den Stadtvätern um so leichter, als ein eigener Ausschuß des Wirtschaftsbeirates in fast vierjähriger gründlicher Arbeit zu der Erkenntnis gekommen war, daß Einkaufsstraßen beim allmählichen Ausbau der „City“ eingerichtet werden können. Er empfahl daher, die Idee des Stadtplanungsamtes als Entwicklungsgedanken zu übernehmen, die für Fußgänger eine eigene Zone zwischen Hauptmarkt und Aufseßplatz vorsieht. „Von diesem Gerüst sollte man ausgehen“, meinte Wirtschaftsreferent Prof. Dr. Johann Sebastian Geer, der das Gutachten des Ausschusses vortrug.

Mit dem Einbahnkreise in der Altstadt, der den Verkehr aus der Breiten Gasse abgezogen hat, ist eine Anregung des Wirtschaftsbeirates bereits in die Tat umgesetzt worden. Das Amt für Stadtforschung und Statistik sowie die Gesellschaft für Konsumforschung hatten bei Befragungen herausgefunden, daß die Breite Gasse ausgeprägt den Charakter einer Einkaufsstraße aufweist, denn wenn die Fußgänger am stärksten herumliefen, herrschte der schwächste Anliegerverkehr. Der Einzelhandelsverband erklärte sich daher auch einverstanden, daß dort ein Experiment mit einer Fußgängerzone gemacht werden soll.

Er wurde dazu von den guten Erfahrungen ermuntert, die sich in der Pfannenschmiedsgasse schon einige Jahre vorher ergeben hatten, als in ihrem kleinen Teilstück zwischen Brunnen und Breite Gasse ein Tabu für Autos geschaffen worden war. „Die Geschäftsleute, die zuerst eine tote Zone befürchtet hatten, jubelten später“, erklärte Baureferent Schmeißner. Er hofft, daß sich die Dinge in der Breiten Gasse ähnlich entwickeln werden. Gegenwärtig liegen zwar einige Einsprüche dagegen vor, daß der Abschnitt von der Pfannenschmiedsgasse bis zum Weißen Turm verkehrsfrei bleibt, „aber“ – so versichert Schmeißner – „wir haben auch viele Zuschriften bekommen, in denen der Stadtrat ersucht wird, hart zu bleiben.“

Noch sieht die neue Welt der Fußgänger in der alten Stadt nicht so aus, wie Schmeißner sie sich vorstellt. „Unter entsprechender finanzieller Beteiligung der Anlieger müßte sie so gestaltet werden wie die Pfannenschmiedsgasse, die längst durchgehend geplättelt ist und keine Unterschiede zwischen Straße und Gehsteig mehr aufweist“, sagte Schmeißner. Als besondere Zierde schweben ihm Vitrinen und Tische und Stühle vor Lokalen vor. Damit die Breite Gasse zu solch einem Schmuckstück ausgebaut werden kann, brauchte er den Beschluß des Stadtrats, der ihm nicht versagt wurde.

… und alle werden zufrieden sein“

Alle Fraktionen äußerten ihre Zuversicht, daß die Fußgängerzone dem Bürger und der Geschäftswelt zum Vorteil gereichen wird. „Die Sache muß sich erst einspielen, dann aber werden sicher alle zufrieden sein“, erklärte Stadtrat Albert Bleistein (SPD). CSU-Fraktionschef Dr. Oscar Schneider meinte: „Warten wir ein bißchen zu, vielleicht zerstreuen sich dann gewisse Bedenken von selbst!“ Der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Hans Bibel, der einst angeregt hatte, solche Lösungen anzustreben, sagte überzeugt: „Die Breite Gasse ist kein besonderer Probefall mehr.“

Professor Dr. Geer ließ denn auch schon den Wunsch des Wirtschaftsbeirates anklingen, den Hauptmarkt und das Rathausviertel als weiteres Stück einer großen Insel für Fußgänger ins Auge zu fassen. „Diese zweite Zone bietet sich als bevorzugter Bereich in absehbarer Zeit an, denn der Rand des Hauptmarktes wird demnächst ganz bebaut sein, so daß ein zügiger Verkehrsfluß in den umliegenden Straßen möglich wird“, sagte er. Die Fußgänger dürfen also weiter hoffen.

Guten Eindruck im Ausland hinterlassen

Welchen guten Eindruck die Stadt heute im Ausland hinterläßt, wußte Oberbürgermeister Dr. Urschlechter zu vermelden. Er war zusammen mit Schmeißner in Helsinki gewesen, um eine Nürnberg-Ausstellung zu eröffnen. Die Schau mit dem holzgeschnitzten Altstadtmodell, Großaufnahmen von der Synthese zwischen alt und neu und Zeugnissen der Handwerkskunst hat in der finnischen Hauptstadt ein beachtliches Echo gefunden.

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