Kalenderblatt

28. Januar 1972: Der Club will sich jetzt selbst aus der „Patsche“ helfen

28.1.2022, 07:00 Uhr
28. Januar 1972: Der Club will sich jetzt selbst aus der „Patsche“ helfen

© Hans Kammler

Club-Vorsitzender Hans Ehrt zeigte gestern auf einer Pressekonferenz sogar einen vorsichtigen Optimismus: man hoffe, die gegenwärtige Finanzmisere des Vereins auch ohne eine erneute Hilfe der Stadt überwinden zu können.

Er führte zwei Fakten für seinen Optimismus an:

1. Die zum 30. Juni bestehenden Zahlungsverpflichtungen in Höhe von rund 755 000 Mark konnten inzwischen um 105 000 Mark verringert werden, so daß die für den 15. Februar erwartete Bankrott-Erklärung hinausgeschoben werden kann.

2. Die Nachricht von der bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit hat die Bevölkerung alarmiert.

Den ganzen Tag über klingelte das Telefon. Bürger boten Spenden zwischen 50 und 9000 DM an, so daß möglicherweise ein Teil der benötigten Summe auf diesem Weg hereinkommt. Hans Ehrt, neuer Mann an der Club-Spitze, befleißigte sich in seiner Stellungnahme zur Entscheidung des Stadtrates großer Sachlichkeit. Das ohnehin schon getrübte Verhältnis zwischen der Stadt und dem Verein möchte er nicht durch unbedachte Äußerungen weiter verschlechtert sehen, zumal beide auch in Zukunft Gesprächspartner bleiben. Deshalb waren auch die Vorstandsmitglieder aus dem Stadtrat Herbert Wartha und Rudolph Mader nicht zum Treffen erschienen.

Die Marschroute von Ehrt: zunächst soll in Verhandlungen versucht werden, den Staat zum Verzicht auf das Rückkaufsrecht zu bewegen, das auf dem Sportgelände lastet. Dann wäre das Problem gelöst, weil die Stadt unter dem Vorbehalt, daß die ganze Kaufsumme dem Club zugute kommt, den 37 000 Quadratmeter großen Streifen zwischen Regensburger und Viatisstraße Zug um Zug zum Verkehrswert (rund 3,7 Millionen DM) erwerben will. Die Chancen werden jedoch beim Club nicht hoch eingeschätzt. „Das ist ein schwieriger, wenn nicht aussichtsloser Weg“, prophezeite Heinz Tschech als Sprecher des Finanz- und Wirtschaftsrates, der durchaus Verständnis für den Stadtratsbeschluß zeigt.

„Als wir die Stadt zum ersten Mal um Hilfe baten, kam das Defizit von 4,8 Millionen DM vom Bau der Valznerweiheranlage, die in erster Linie dem Breitensport dient. Heute kommt das Loch in der Kasse vom Berufsfußball. Ich kann verstehen, daß die Stadt keine Zuschüsse aus Steuergeldern für den bezahlten Fußball geben will, dessen Situation in der ganzen Bundesrepublik nicht zu verantworten ist“, meinte Heinz Tschech, für den es bei einer Absage des Landes Bayern noch eine andere Möglichkeit gibt: der Staat müßte alles übernehmen und zusätzlich eine Ablösesumme für den bisherigen Aufwand zahlen. In diesem Fall bleibt jedoch für Heinz Tschech die Frage offen, was der Freistaat (oder ein dritter Käufer) mit der Valznerweiheranlage anfangen soll, abgesehen davon, daß sich beide Teile erst einmal über die Höhe des bisherigen Aufwandes einigen müßten. Die Baukosten haben rund 13 Millionen Mark betragen.

Da baut der finanziell angeknackste Verein lieber noch einmal auf die Spendenfreudigkeit seiner Mitglieder und der fränkischen Bevölkerung, in der er noch immer viele Anhänger hat. Unter den 2400 Senioren (über 18 Jahre) in seinen Reihen läuft eine freiwillige Spendenaktion an. Jeder ist aufgerufen, einen Hundertmarkschein zu stiften. Außerdem hat jeder Gönner Gelegenheit, unter der Bezeichnung „Spende für den 1. FC Nürnberg – 992 3891“ sein Scherflein auf dem Stadtkassen-Konto 1094 bei der Stadtsparkasse Nürnberg einzuzahlen. Im übrigen aber wehrten sich gestern sowohl der frühere Vorsitzende Walter Luther wie Schatzmeister Adam Winkler gegen Vorwürfe, eine leichtfertige Haushaltspolitik getrieben zu haben und großzügig bei Personalausgaben verfahren zu sein. „Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, erklärte Luther, der zudem darauf hinwies, daß dem Rechnungsprüfungsamt der Stadt Einblick in alle Unterlagen gewährt worden sei.

Verwandte Themen


Keine Kommentare