28. März 1965: Münchner kamen als Gutsbesitzer

28.3.2015, 07:00 Uhr
28. März 1965: Münchner kamen als Gutsbesitzer

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Stadtbaurat Edgar Luther, Stadtschulrat Dr. Anton Fingerle gaben für die Landeshauptstadt, Schul- und Kulturreferent Dr. Hermann Glaser und Wirtschaftsreferent Dr. Johann Geer für die nordbayerische Metropole bekannt, was die Gegenüberstellung der Gartenbauämter, der Kindergärten und Jugendhorte, des Mittelschulwesens und der Liegenschaftsämter ergeben hatte. Überall wird ein wenig anders gekocht, aber zuweilen läßt es sich nach fremdem Rezept am eigenen Herd besser verfahren.

Allein das Nachdenken über die eigenen Verfahren, zu dem der Vergleich anregt, ist schon eine köstliche Frucht dieser Arbeit. Die nächste gemeinsame Sitzung wird Anfang 1966 wieder in München stattfinden. Oberbürgermeister Dr. Jochen Vogel lud dazu ein. Allerdings werden sich die Stadtväter schon früher wieder begegnen, denn das Münchner Stadtoberhaupt hatte auch die Einladung zum Besuch der Internationalen Verkehrsausstellung im Juli mitgebracht. Freudig sagten die Nürnberger zu.

„Viele Anregungen“

Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter hatte die Sitzung des Revisions- und Rationalisierungsausschusses aus München und des Personal- und Organisationsausschusses des Nürnberger Rates – verstärkt durch den Ältestenrat – eröffnet und kurz den Stand des Städtevergleiches skizziert. „Unsere Verwaltungsbehörden gewinnen durch die intensiven Untersuchungen viele Erkenntnisse und Anregungen“, versicherte der Nürnberger Oberbürgermeister.

Nürnberg zog die Konsequenzen mit der Rationalisierung des mit dem Amt für Wohnungsbau und Siedlungsförderung zusammengelegten Wohnungsamtes, womit 35 Prozent des Personals gespart werden konnten, mit der Umorganisation in der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle und mit dem Wechsel der Feuerbeschau von der Feuerwehr zur Bauordnungsbehörde. Neun Punkte umfaßte insgesamt die Liste mit den Vorteilen für die Nürnberger. Nachdem schon 20 Dienststellen verglichen worden sind – rund 110 Beamte informieren sich jeweils in der anderen Stadt, wie dort ihr Sachgebiet bearbeitet wird – kündigte Dr. Urschlechter heuer die Gegenüberstellung von Stadtentwässerung, Schlachthof-Verwaltung und der Bauordnungsbehörde an. Außerdem läuft bereits der Personalaustausch bei den Jugendämtern und den Krankenhaus-Verwaltungen. Gesundheitsämter, Sportämter und Beschaffungsämter kommen noch an die Reihe.

Viel Geld für das Grün

Der Unterfranke aus München, Stadtbaurat Edgar Luther, stellte Vergleiche zwischen den Gartenbauämtern an, die sich freilich durch verschiedene Aufgaben auszeichnen. Die Münchner besitzen gar eigene Baumschulen, weil die meist in Norddeutschland gezogenen Gewächse im harten Münchner Klima eingehen. Die Münchner Stadtgartendirektion ist nicht wie in Nürnberg nur für technische Fragen sondern auch für die Verwaltung der Kleingärten zuständig. Auch mit dem Geld beschäftigte sich der Stadtbaurat. „Besonders hervorzuheben sind die achtmal höheren Ausgaben in München für die Anlage neuer und den Ausbau vorhandener Grünanlagen“, erwähnte Edgar Luther.

Gemeinsam aber rühmte er das Bestreben beider Städte, mit viel Geld neues Grün zu schaffen. „Das Kindergarten- und Hortwesen war bis zum 1. Mai 1964 in Nürnberg wie in München dem Referat für Schul- und Kulturverwaltung zugeordnet. Dann ist es in Nürnberg dem Sozialreferat angegliedert worden. Der Müchner Stadtrat hat dazu keinen Anlaß, weil wir dem erzieherischen Moment mehr Gewicht beimessen als dem fürsorgerischen.“ Kaum hatte Stadtschulrat Dr. Fingerle berichtet, mußte sich Sozialreferent Dr. Max Thoma bemühen, weil Hans Bibel und Dr. Oscar Schneider, die Vorsitzenden der FDP- und der CSU-Fraktion, diese Formulierung mißfiel. „Damit ist nicht gesagt, daß bei uns die Erziehung zu kurz kommt. Schließlich haben wir immer noch die gleichen geschulten Kräfte in Kindergärten und Horten eingesetzt“, beschwichtigte Dr. Thoma.

Dr. Anton Fingerle aus München nannte auch Zahlen: in Nürnberg stehen für 100 Kinder 39, in München 37 Kindergartenplätze zur Verfügung, wobei Nürnberg den freien Verbänden höflich den Vortritt läßt, sie fördert und nur bei Bedarf selbst Kindergärten baut. So befinden sich bei den Mittelfranken 80 Prozent der Kindergärten in privater Hand. München besitzt hingegen mehr private Horte. Und an der Isar betreut eine Kindergärtnerin 21, die Kollegin an der Pegnitz 26 Kinder. Von gleichartigen Tendenzen im Mittelschulwesen berichtete der Nürnberger Schul- und Kulturreferent Dr. Hermann Glaser. München besitzt allerdings mehr Mittelschulen, während Nürnberg bei den Aufbauzügen an den Volksschulen die Nase vorn hat. Das Referat von Dr. Hermann Glaser litt unter mangelnder Aktualität, weil der Vergleich zu einem Zeitpunkt erfolgt war, als seine neue Mittelschul-Konzeption noch in der Schublade lag. Jedoch erläuterte er am Ende die neue Organisation mit den drei Mittelschulen, den eingegliederten Aufbauzügen der beiden letzten Volksschulklassen und dem Beratungssystem für die Begabten.

Wirtschaftsreferent Professor Dr. Johann Geer hatte beim Vergleich der Liegenschaftsämter Unterschiede im Aufgabenbereich entdeckt. Die Nürnberger regeln Grundstücksverkehr und Grundstücksverwaltung, während die Münchner nur verwalten dürfen. Kauf und Verkauf von Grundstücken erledigt eine Abteilung, die direkt dem Kommunalreferat untersteht. Keine der beiden Städte möchte indes von ihrer Regelung abweichen. Professor Dr. Johann Geer vermerkte – vermutlich nicht ohne Neid –, daß der Münchner Grundbesitz zur Hälfte außerhalb der Stadtgrenzen liegt, die Nürnberger aber nur mit neun Prozent ausmärkischen Besitzes – einschließlich der Stadtwerke – aufwarten können.

Innerhalb der Stadtgrenzen ist der städtische Grundbesitz mit rund 24 Prozent der gesamten Fläche relativ gleich groß. Gerade wegen des Landbesitzes der Münchner sorgte Professor Dr. Geer für Heiterkeit. Waren ihm schon beim letzten Vergleich bei den Münchnern „barocke Beerdigungsbräuche“ aufgefallen, so hieß er gestern die Landeshauptstädter „angesehene Gutsbesitzer“. Dr. Hans-Jochen Vogel bewies Humor. „Man hätte auch ungestraft sagen können, daß die Stadt eine ganze Menge Rindviecher hat“, erwiderte er dem Nürnberger Wirtschaftsreferenten, ehe er zum Gegenbesuch einlud. Es fiel ihm dabei angesichts des 90 Millionen Mark teuren Stachus-Umbaus leicht, den Nürnbergern „eine Menge interessanter Baustellen“ zu versprechen. Der neue Münchner Stadtkämmerer Helmut Gittel, den er gestern vorstellte, konnte gleich anschließend mit den Nürnbergern warm werden, als sich Gäste und Einheimische im Ratskeller an einen Tisch setzten.

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