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29. Dezember 1971: Giftgasalarm im Süden Nürnbergs

29.12.2021, 07:00 Uhr
29. Dezember 1971: Giftgasalarm im Süden Nürnbergs

© Barth

Gegen 22.15 Uhr entgleisten auf dem Rangierbahnhof an der Überführung bei der Katzwanger Straße sieben Waggons – vier davon mit dem hochgiftigen und explosiven chemischen Stoff Acrylnitril. Zwei schlugen leck, jeweils mit 12 000 Kilogramm der gefährlichen Flüssigkeit beladen. Bei Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz wurde Großalarm ausgelöst. Die Unfallstelle wurde hermetisch abgesperrt. Aus den beiden umgestürzten Tankwagen gluckerte ständig das Giftgas, das schwerer ist als Luft und sich deshalb in Bodennähe niederschlug. Daher war der Einsatz der Feuerwehr besonders gefährlich. Es war nicht möglich, das Leck abzudichten, obwohl Feuerwehrleute von der Brücke aus in Spezialanzügen versuchten, sich den leckgeschlagenen Waggons zu nähern.

Währenddessen drängten die Polizisten die Zuschauer von der Brüche, weil Explosionsgefahr bestand. Zu beiden Seiten der Überführung warteten BRK-Wagen mit eingeschaltetem Blinklicht. Sie sollten bei einer möglichen Katastrophe die Verletzten sofort ins Krankenhaus bringen. Bereits zuvor war den Hunderten von Neugierigen von den Polizeibeamten jegliches Rauchen verboten worden. Einer der Zuschauer, ein Bahnarbeiter, konnte sich den Hergang des Unfalls nicht erklären: „An dieser Stelle laufen die Gleise parallel, hier konnte keine Weiche falsch gestellt werden.“

Feuerwehr abberufen

Um 0.35 Uhr mußten von der Unfallstelle an der Rangierbahnhofbrücke einige Feuerwehrfahrzeuge abgezogen werden. Im Haus Vacher Weg 23 war aus noch ungeklärter Ursache ein Brand ausgebrochen. Bis zum Eintreffen der Feuerwehr bargen Nachbarn zwei kleine Kinder aus dem Gebäude, die mit starker Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Die Eltern der beiden waren nicht zu Hause gewesen.

In diesen Minuten kamen Spezialisten der Feuerwehr auf die Idee, die Giftschwaden mit Wasser so zu verdünnen, daß sie nicht mehr gefährlich sind. Zeitweise wurde erwogen, die Bewohner der umliegenden Häuser zu evakuieren. Ständig wurden die Einheiten der Feuerwehr verstärkt. Der Einsatz dauerte bis fünf Uhr früh.

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