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29. Oktober 1971: Düstere Prognose: Glasmalereien sind in zehn Jahren vernichtet

29.10.2021, 07:00 Uhr
29. Oktober 1971: Düstere Prognose: Glasmalereien sind in zehn Jahren vernichtet

© Fischer

Seine These konnte er untermauern durch einige Einzelscheiben aus dem Löffelholzfenster und aus dem Schmidtmayerfenster von St. Lorenz, die bis zum Januar als Beitrag zum Dürer-Jahr in einer Ausstellung in der Kirche gezeigt werden: die Einzelteile der Scheiben sind, Glas wie Malerei, vielfach gesprungen und können nur in mühsamer Restaurationsarbeit gerettet werden.

Diese Schäden, so machte Frenzel deutlich, sind fast ausschließlich in den letzten zehn Jahren verursacht worden und keinesfalls als pure Alterserscheinungen hinzunehmen. Dabei sei der Zustand der ausgestellten Scheiben noch positiv zu bewerten: hätte man in Lorenz nicht schon vor einiger Zeit eine Schutzverglasung eingebaut – durch sie sind die kostbaren Malereien nicht mehr den Witterungseinflüssen ausgesetzt – wäre der Zustand der Scheiben weitaus bedenklicher.

29. Oktober 1971: Düstere Prognose: Glasmalereien sind in zehn Jahren vernichtet

© Fischer

Er ist ohnehin ernst genug: Frenzel rechnet mit einjähriger Restaurationsarbeit an den vier Scheiben aus dem Löffelholzfenster. Daß sie sich lohnt, machen die beiden bereits restaurierten Scheiben aus dem Schmidtmayerfenster deutlich: ihre Farben sind wieder klar und leuchtend. Welche Mühe das kostete, ahnt der Laie nicht: jedes kleine Bruchstück mußte sorgfältig behandelt und sein Rand abgeschliffen werden, so daß sich ein Teilchen "nahtlos" an das andere fügte und die Malerei wieder im früheren Glanz erstrahlte.

In der Restaurationswerkstatt geht inzwischen die Arbeit weiter. Derzeit werden dort die Scheiben des Hallerfensters behandelt, die bis Ende des Jahres restauriert sein sollen. Ab Januar wird dann der Passionszyklus aus diesem Fenster in der Lorenzkirche ausgestellt sein, während weitere Teile des Schmidtmayerfensters ausgebaut und in die Werkstatt gebracht werden.

Mit der gestern vorgestellten Ausstellung soll Dürers lange umstrittene Tätigkeit für die Glasmalerei gewürdigt werden. Albrecht Dürer wurde gleich zu Beginn seiner Lehrzeit bei Michael Wolgemut mit dem Sachgebiet der Glasmalerei vertraut gemacht. Wolgemut hatte gerade den größten Auftrag, den seine Zeit zu vergeben hatte, die Verglasung des Chorneubaues von St. Lorenz ausgeführt und befaßte sich beim Eintritt Dürers in seine Werkstatt mit der Verglasung von St. Michael in Fürth.

Seit 1496 befaßte sich Dürer selbst intensiv mit der Glasmalerei. Die Impulse seiner genialen Schöpferpersönlichkeit verhalfen der Glasmalerei in Nürnberg zu einer letzten großen Blüte, die für ganz Deutschland Bedeutung gewann.

Nach 1500 überließ er mehr und mehr seinen Schülern Hans von Kulmbach und Hans Baldung Grien, später Hans Schäufelein und Sebald Beham die Entwurfstätigkeit für die Glasmalerei, doch ist sein Schöpfergeist durch das Medium seiner Schüler immer wieder nachzuweisen. Selbst aber konzipierte Dürer die Fenster der Landauerkapelle von 1508 und das Schmidtmayerfenster in St. Lorenz von 1509, die Hans von Kulmbach in maßstabgetreue Kartonzeichnungen umsetzte. Die Vorzeichnungen für das Löffelholzfenster (1506) lieferte Hans Baldung Grien.

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