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3. August 1971: Prominententische wurden unter die Lupe genommen

3.8.2021, 07:00 Uhr
3. August 1971: Prominententische wurden unter die Lupe genommen

© Contino

Ganz auf Zweckmäßigkeit ausgerichtet ist der Arbeitstisch von Walter H. Lechner, Nürnbergs Hafenbaudirektor: links drei Fächer, rechts ein großer Anbau. Lechner dazu: „Da paßt was drauf, und alles ist schlichte fränkische Kiefer.“ Nur ein Blumenstock durchbricht die Atmosphäre der Nüchternheit.

Komfort oder Behaglichkeit wären in dem Provisorium im Süden der Stadt ohnehin kaum möglich. Und daran wird sich bis Ende nächsten Jahres auch nichts ändern. Lechner stört an der mit Heraklitplatten verkleideten Baracke dennoch nur, daß sie wirkt „wie ein Geigenkasten“. Freilich wie ein schlechter: Lechner klagt über Schallverzerrungen.

Schlichte, solide Eleganz strahlt der Schreibtisch von Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter aus. Einige Akten liegen darauf, links steht ein Telefon, rechts eine Blumenschale. Zwei Ledersessel laden Besucher ein. Eine riesige rote Vase dominiert in dem weiten Raum, und dagegen nimmt sich ein Abstelltischchen mit Büchern fast bescheiden aus.

Dr. Oswald Fiedler, Leiter der Wohnungsbaugesellschaft Nürnberg, hat einen ganz alten, schweren Nußbaum-Schreibtisch, bedeckt mit einer Glasplatte. Trotz seiner imposanten Ausmaße ist er häufig zu klein für die Pläne, und dann muß Dr. Fiedler ausweichen auf den zehnsitzigen Konferenztisch, der ebenfalls in seinem Büro an der Keßlerstraße steht.

Völlige Unordnung herrscht auf den ersten Blick auf Bodo G. Bodens Schreibtisch, aber der Nürnberger Maler und Grafiker findet mit sicherem Griff, was er braucht. Der Nichteingeweihte steht hilflos vor der ungeheuren Anzahl von Pinseln, Stiften und Kugelschreibern, zwischen denen Pfeifen, Leimtopf und Entwürfe liegen. Auf einer Seite ist ein Schraubstock befestigt, auf der anderen stehen ein Vergrößerungsgerät und ein Radio. Aber das Besondere an diesem Arbeitstisch ist Kater „Pablo“, der sich seinen Stammplatz an der Stirnseite immer dann sichert, wenn sich Bodo Boden an die Arbeit macht. Für einen Fremden ist es nicht ratsam, sich auf den Stuhl davor zu setzen; er würde Gefahr laufen, „Pablos“ scharfe Krallen zu spüren zu bekommen.

Großaufnahmen von Männern, die er besonders schätzt, liegen unter der Glasplatte auf dem Schreibtisch von Dr. Joseph E. Drexel, dem Herausgeber der „Nürnberger Nachrichten“. Da sind zu finden Oppenheimer, Schweitzer, Saint-Exupéry und „mein Freund Rowohlt“, um nur einige zu nennen. Dr. Drexel bezeichnet sie als „die Dichter der männlichen Einsamkeit“. Die Weiblichkeit, allerdings lachend, ist auch vertreten: Claudia Cardinale und Anna Magnani. Zwei Plastiken – „Die Eitle“ und „Die Tanzende“ –, mehrere Schreiben und ein Telefon vervollständigen den Eindruck, daß sich an diesem Schreibtisch Arbeit und Kunstsinn die Hände reichen.

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