3. Juli 1970: Geheimnis der Burg-Stollen gelüftet

3.7.2020, 07:00 Uhr
3. Juli 1970: Geheimnis der Burg-Stollen gelüftet

© Kammler

Oberamtmann Walter Herppich vom Amt für Zivilschutz hat in langjähriger Arbeit den Verlauf dieser Stollen wieder ausgekundschaftet und auf ihre Möglichkeiten als Trinkwasserreserve hin untersucht. Sein Ergebnis: sie sind notfalls heute noch verwendungsfähig.

Unter sengender Sonne zog sich Oberamtmann Walter Herppich vom Amt für Zivilschutz eine wärmende Jacke über, ehe er sich in seine wasserdichte Montur zwängte und sich an einer Strickleiter auf den Grund des Brunnenschachts hangelte. Sein Ziel war der Brunnen unterhalb des Fünfeckigen Turmes der Burg.

3. Juli 1970: Geheimnis der Burg-Stollen gelüftet

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Das rund vier Kilometer lange unterirdische Netz von Wassergräben, das sich unter dem Burgfelsen hinzieht, ist immer noch nicht vollständig erforscht. In Katastrophenfällen aber könnte es zum letzten und zuverlässigsten Wasserreservoir der Stadt werden.

Bewährt hat es sich während vieler Jahrhunderte – nur war damals der Wasserverbrauch ungleich geringer als heute.

Der Kontrollgang unter dem Burgfelsen ist wie ein Hinabsteigen in die Vergangenheit: an den Wänden sind die Namen jener eingemeißelt oder aufgemalt, die hier einst arbeiteten. Und die unterschiedlichen Jahreszahlen verraten, wann die Stollen gegraben und wann sie ausgebessert wurden. Bemerkenswert dabei ist, daß die Aufzeichnungen im letzten Jahrhundert enden: während der vergangenen 70 oder 80 Jahre wurde nichts mehr für die Instandsetzung der Gräben getan. Erst jetzt wieder erhalten sie Aktualität: in einem Katastrophenfall nämlich sind sie möglicherweise geeignet für die notdürftigste Wasserversorgung.

3. Juli 1970: Geheimnis der Burg-Stollen gelüftet

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Seltsam mutet an, daß die „Katakomben“ auch während des zweiten Weltkrieges nicht als Luftschutzbunker verwendet wurden. Gewiß: sie wären eine denkbar feuchte und kalte Zuflucht gewesen, aber auch eine ungemein sichere. Aber ihre Existenz war vermutlich schon zu stark von Legenden umwittert, als daß sich jemand ernstlich auf ihr Vorhandensein verlassen hätte. Jedenfalls ist die „amtliche“ Erforschung erst jetzt wieder aufgenommen worden.

Sie ist abenteuerlich genug: der schmale Gang, an dessen einer Seite ein Sims verläuft, wechselt seine Tiefe ständig, so daß ein unfreiwilliges, eiskaltes Bad nur mit größter Vorsicht zu vermeiden ist. Und nach etwa 120 Metern Wegstrecke in hüfthohem Wasser öffnet plötzlich ein Mauerdurchbruch die Sicht auf den eigentlichen Brunnen. Er ist kreisförmig, und still, gläsern steht sein Wasser. Aus ihm schöpfte eine Vielzahl von Generationen das Wasser; aber seit Jahrzehnten ist sein Spiegel kaum mehr gekräuselt worden. Und so verbindet er, wie viele andere im Burgmassiv, in seiner Bedeutung lebendige Vergangenheit mit einer Zukunft, die hoffentlich niemals Wirklichkeit wird.

Brunnen 51,5 Meter tief

Die wissenschaftlichen Aspekte aber sind völlig nüchtern: der Keuperfelsen, auf dem die Burg steht, ist für die Wassergewinnung denkbar ungeeignet. Nur der „Tiefe Brunnen“ der Burg erreicht das Grundwasser; und seinen Namen trägt er zu Recht: 51,5 Meter reicht er ins Gestein hinein bei einem durchschnittlichen Wasserstand von 3,5 Metern. Gewöhnlich wurde auf dem Burggelände das Wasser jedoch aus den Gängen bezogen.

Dr. Walter Lehnert vom Stadtarchiv berichtet darüber in einer Broschüre über „Wasser in der Reichsstadt Nürnberg“: „Der Grund zu ihrer Anlage lag einfach darin, daß eine gewöhnliche Brunnenbohrung in dem nur wenig wasserführende Schichten enthaltenden Keuperfelsen keinen großen Erfolg versprach, dagegen aber eine waagerechte Grabung so viele dieser Schichten anschneiden mußte, daß sich in ihr doch eine ausreichende Menge an Wasser sammeln lassen konnte. 

Diesen besonderen geologischen Verhältnissen wird es wohl zu danken sein, daß ... von den 1.459 genannten 17 ,rörn‘ allein 15 auf der Sebalder Stadtseite lagen.“ Der Wasserspiegel des Brunnens unter dem fünfeckigen Turm beispielsweise liegt nur 22 Meter unter dem Brunnenrand; die Wassertiefe dürfte bei fünf Metern liegen – gemessen wurde sie noch nicht.

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