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3. Oktober 1971: Promille nüchtern gesehen

3.10.2021, 07:00 Uhr
3. Oktober 1971: Promille nüchtern gesehen

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Alles andere war Routine: Kontrolle – pusten – Blutprobe – Führerschein weg. Weil alles klar zu sein schien, schickte der Amtsrichter einen Strafbefehl ins Haus: 900 DM Geldstrafe, insgesamt acht Monate Führerscheinentzug. Der Angeklagte will es genau wissen. Er hat Widerspruch eingelegt und so kommt es zur Verhandlung. Als Argument bringt er vor, seine Blutalkoholwerte lägen genau an der Grenze, zum Teil unter, zum Teil über 1,3 Promille.

Der medizinische Sachverständige errechnet, daß die vom Angeklagten aufgenommene Alkoholmenge einen Wert von 1,36 Promille ergibt. Der Staatsanwalt wertet das Überholen in der Kurve als Beweis für die enthemmenden Wirkungen des Alkohols. Der Amtsrichter verwirft den Einspruch. Es bleibt bei 900 Mark Geldstrafe und noch drei Monate Führerscheinentzug.

Ein Fall unter vielen ähnlichen, die Woche für Woche die Nürnberger Verkehrsgerichte beschäftigen. Wie ist die Tendenz? Nehmen die Trunkenheitsdelikte zu? Darüber unterhielten wir uns mit dem Leiter der Verkehrsabteilung bei der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Dr. Werner Brocken.

Die Statistik zeigt an, daß es leider aufwärts geht. So wurden in den ersten acht Monaten des Jahres 1970 im Landgerichtsbezirk Nürnberg – außer Erlangen Stadt und Land – 245 und im gleichen Zeitraum des Jahres 1971 bereits 318 Führerscheine vorläufig sichergestellt. Dies entspricht einer Zunahme um 30 Prozent.

In nahezu 98 Prozent der 318 Fälle war Alkohol die Ursache für den Führerscheinentzug. Den absoluten Rekord brachte ein bullig heißer Julitag, an dem 26 Autofahrer das wichtige Papier loswurden.

Die Staatsanwaltschaft, die sich mit den Anzeigen der Polizei befaßt, unterscheidet zunächst einmal zwischen Erst- und Wiederholungstätern. Über die „Rückfälligen“ liegen keine exakten Zahlen mehr vor, doch die Erfahrung zeigt, daß unter fünf Alkoholsündern einer ist, der zum zweiten- oder gar wiederholten Mal auffiel.

Hatte die Trunkenheitsfahrt keine Folgen, so schlägt die Staatsanwaltschaft den Richtern vor, das Vergehen mit einem Strafbefehl zu ahnden. Zwei Drittel aller Ersttäter werden auf diesem Wege „bedient“, sie müssen nur vor dem Richter erscheinen, wenn sie Einspruch einlegen.

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