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30. August 1971: Geduldsprobe beim Wiegen

30.8.2021, 07:00 Uhr
30. August 1971: Geduldsprobe beim Wiegen

© Kammler

Freilich, mit dem Wollen allein wird auch ein Kochtopf selten voll, und so waren die meisten Hausfrauen gut beraten, wenn sie es jener Anglergattin gleichtaten, die ihren Petri-Jünger frotzelte: „Dou, wenn I midda Broatpfanna hintendroh stäih tät, dou mäißtma ja verhungern. Komm, Alder, mir genga ins Wärtshaus ess‘n!“

Dabei hatte der Fischereiverband Mittelfranken tief in die Kasse gegriffen und den Wöhrder See sowie die Pegnitz mit elf Zentner Karpfen und drei Zentner Forellen „aufgeforstet“, damit den Gästen aus nah und fern auch manches an die Angeln gehen konnte. Dabei hatte sich der Fischereiverband nicht nur aus dem Grund in diese Unkosten gestürzt, weil etwa zu wenig Fische für ein solches Anglerheer in der Pegnitz und im Wöhrder See vermutet wurden. Man wollte sich später, wenn ein hiesiger Angler König geworden wäre, nicht von den Auswärtigen den Vorwurf machen lassen, die Einheimischen seien bei kargem Fischbestand im Vorteil gewesen. Im Vorteil dadurch, daß sie gewußt hätten, wo die getöteten Fische stehen. Deshalb hatte man durch zusätzlichen Besatz gleiche Chancen für alle schaffen wollen.

920 organisierte Angler waren es dann, die sich in aller Herrgottsfrühe aufmachten. Einige vertauschten ihre Lackschuhe – am Abend vorher hatte in der Meistersingerhalle der Festabend mit Tanz stattgefunden – gleich mit den Gummistiefeln.

Der Morgen graute erst, da wurden schon die Enten aus dem Schlaf und aus den schmutzig-braunen Pegnitzfluten geschreckt. Manche Wettangler luden die Fischlein schon um 5 Uhr zum leckeren Köder-Mahl ein. Dabei sollte die Konkurrenz erst um 5 Uhr beginnen.

Apropos Köder. Das immer größer werdende Anglervolk ist da recht erfinderisch: das Sortiment reicht vom fetten Regenwurm (eine Dose mit 20 Stück wird für zwei Mark gehandelt, weshalb wohl einige Fischer nachts mit der Taschenlampe auf der Wöhrder Wiese suchen) über das Maiskorn und den Teig bis zur Kartoffel und zum Brot. Einige versuchten, ihr Glück sogar mit einem französischen Anglerglückartikel, der Erfolg garantieren soll. Nun ja, Frankreich ist weit.

Weil die Veranstaltung wirklich gut organisiert war, fehlten auch die Ordner nicht. Sie mußten nicht nur die Beute bestätigen, sondern auch aufpassen, daß keine zu kleinen Fische in den Keschern verschwanden. Schimpfte ein Musterschüler, der die staatliche Fischereiprüfung mit einer Eins abgelegt hatte: „Etz mißt der a nu a su a Hechtla. Dös sicht doch a Blinda mit‘m Krückstock, daß der z‘kla is.“ Nichts anhaben konnte man einem Fischerkönig aus Oberbayern, der einen Karpfen, kaum der Setzlinggröße entwachsen, das Fischleben auslöschte. „Der hatte den Haken geschluckt“, verteidigte sich der vermeintliche Übeltäter.

Auch der Flachs blühte: „Schorsch, hast nu nix derwischt?“ – „Hob I scho geß’n“ – „Du hast wull an Grill dabei?“ – „Na, mei Fraa hatmer Sardinaweckla vom Volksfest mietgehm.“ – Oder: „Läfft nix Addi?“ – „Ismer worscht, i will suwiesu bloß meine Regenwärmer booden.“

Obwohl bis elf Uhr geangelt werden durfte, lieferte der erste Petrijünger seine Beute schon um 9.15 Uhr ab: eine 675 Gramm schwere Forelle. Für den Mittagstisch reichte sie ihm. Freilich vergab er damit die Chance, auch noch Karpfen, Barben, Barsche, Forellen und Hechte an Land zu ziehen.

Kaum zu glauben, aber diese Fischarten gibt‘s tatsachlich in der so trüben Pegnitz. Und sie schlugen für die Preise zu Buche. Ab elf Uhr verwandelte sich die Adenauer-Brücke in einen Gammelstrand à la Kopenhagen; en miniature, versteht sich. All die Zwei-, Drei-, Vier- und Fast-Fünfpfünder mußten auf eine einzige Waage. Die andere war vorher kaputtgegangen.

Am Nachmittag wurden im Gesellschaftshaus Langwasser die Angler belobigt, die neben ihrem Können auch noch Glück hatten: Fischerkönig darf sich ein Jahr lang Georg Kraft vom Bezirke-Fischereiverein Traunstein nennen. Sein dickster Brocken hätte eine ganze Familie satt gemacht: ein Karpfen mit 2375 Gramm. „Vizes“ sind Albert Iblacker (Weiden) und Gerhard Spatzig (Würzburg).

Spatzig sicherte sich auch den Gesamtsieg: sieben Karpfen und eine Regenbogen-Forelle hatten die Skala der vielstrapazierten Waage auf 10 650 Gramm schnellen lassen.

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