4. April 1971: Redet die Bundesbahn vom Fahrplan?

4.4.2021, 07:00 Uhr
4. April 1971: Redet die Bundesbahn vom Fahrplan?

© Contino

Das S-Bahn-Zeitalter läßt sich bei uns bis jetzt höchstens aus der Umbenennung der Personenzüge in Nahschnellverkehrszüge oder durch die Ausgabe von gelben statt bisher roten Fahrkarten erahnen. Eine richtige S-Bahn werden wir also in Nürnberg so bald nicht erleben – deshalb soll hier der normale Vorortsverkehr, mit dem wir uns sicher noch jahrelang behelfen müssen, einmal kritisch unter die Lupe genommen werden.

Als Beispiel wählten wir die Strecke nach Schwabach, die wohl zu den verkehrsreichsten im Großraum zählt. Unser Mitarbeiter war im vergangenen Jahr an mindestens 300 Tagen auf dieser Strecke unterwegs. Bei einer durchschnittlichen Verspätung von fünf Minuten pro Tag (gnädig gerechnet!) hat ihm die Bundesbahn zwangsweise 25 Mußestunden verschafft, die er zum Nachdenken über die Vorzüge des Zugverkehrs verwendet hat. Hier seine Resultate, die wir zur Diskussion stellen:

4. April 1971: Redet die Bundesbahn vom Fahrplan?

© Contino

Verspätung, Verspätung, Verspätung. Es stehen Züge im Fahrplan, bei denen sich anscheinend kein Mensch Gedanken um die Einhaltung der Fahrzeit macht – außer den Fahrgästen natürlich. So ist etwa der um 7.22 Uhr am Hauptbahnhof ankommen sollende Zug nur äußerst selten um diese Zeit angekommen, und auch die drei folgenden Züge haben ihre Fahrzeiten meist, kräftig überzogen.

Abenteuerlich sind die Verhältnisse mit dem 16.22 abfahrenden Zug, der meistens von dem um 16.06 fälligen und entsprechend verspäteten Schnellzug nach München verdrängt wird. Da beide Züge vom gleichen Gleis abfahren, treten sich die Fahrgäste gegenseitig auf die Füße – und wer etwa seine Schwiegermutter um 16.36 in Reichelsdorf erwartet, darf die leise Hoffnung hegen, daß sie versehentlich in den Schnellzug eingestiegen ist und mindestens bis Treuchtlingen verschleppt wird.

Für die Verspätungen mag es viele Gründe geben. Wer erfahren hat, daß Lokführer 24 Stunden im Dienst stehen, der wird sich kaum aufregen, wenn etwa am 16. März der um 7.17 Uhr in Sandreuth ankommende Zug so elegant zum Stehen gebracht wurde, daß nur die zwei vordersten Wagen am Bahnsteig standen und die Fahrgäste der sechs folgenden Wagen über Bahnkörper und Brückengeländer (Betreten verboten!) klettern mußten.

Aber beim Betrachten des Fahrplans macht man sich schon wieder Gedanken. Der um 7.13 Uhr in Schwabach abfahrende Zug soll nur drei Minuten hinter einem Vorläufer herfahren, muß aber vorher auf den Ferngleisen rangiert werden. Er bringt damit nicht nur den vorausfahrenden, sondern oft auch noch den um 7.24 fälligen nachfolgenden Zug aus dem Plan.

Da nun von diesen drei Zügen nur einer auf allen Bahnhöfen hält, erreicht man so einen Zugsalat, bei dem auf den Unterwegsbahnhöfen schließlich niemand mehr wissen kann, welcher Zug jetzt eigentlich wann wo hält und gegebenenfalls warum nicht. Hier ist eindeutig ein Zug zuviel im Fahrplan – es wäre doch viel vernünftiger, hier statt drei Zügen nur zwei einzusetzen und diese aber auf allen Bahnhöfen halten zu lassen.

Überhaupt, die Bedienung der Unterwegsbahnhöfe: Obwohl von den Bahnhöfen Katzwang und Limbach große und rasch wachsende Siedlungsgebiete erschlossen werden könnten, die keine andere Verkehrsverbindung haben, läßt die Bahn in der Hauptverkehrszeit hier fast jeden zweiten Zug durchfahren.

Wie sollen denn die hier Zugezogenen dazu gebracht werden, ihre Autos in der Garage zu lassen, wenn sie trotz vor der Haustür liegendem Bahnhof immer nur durchrasende Züge zu sehen bekommen? Eine andere Frage: Würden diese Bahnhöfe auch so miserabel bedient, wenn die VAG eine Konkurrenz-Omnibuslinie einrichten würde?

Völlig unzulänglich ist auch die Unterrichtung der wartenden Fahrgäste. 1970 hat man zwar, sicher mit hohen Kosten, auf allen Bahnhöfen Lautsprecheranlagen gebaut. Schade ist nur, daß sie nicht benutzt werden. So stand etwa der Schreiber dieser Zeilen am 17.12.70, 13 Minuten im eiskalten Regen am Katzwanger Bahnsteig, ohne daß die Verspätung des um 7.05 fälligen Zuges angesagt worden wäre.

Auf Anfrage erhielt er die Antwort, der Lautsprecher könne nur vom Fahrdienstleiter in Schwabach besprochen werden, dieser habe aber für so etwas keine Zeit. Jetzt quält ihn die Frage, warum denn die teure Anlage mit ihren kilometerlangen Leitungen eingerichtet wurde, wenn sie dann niemand benützen mag?

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