7. April 1970: Polizei schießt mit Mordwaffen

7.4.2020, 07:00 Uhr
7. April 1970: Polizei schießt mit Mordwaffen

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Vor einiger Zeit wurde ein tschechischer Personenwagen gerichtlich eingezogen, der von Slowaken zu Staatssicherheits-Delikten verwendet worden war. Heute fährt dieser Wagen im Dienste der Nürnberger Justiz.

Das und vieles mehr macht der Verwalter der Asservatenkammer bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg möglich. Seiner Obhut werden vor allem die Gegenstände – Waffen, Werkzeug und sonstiges Gerät – anvertraut, die Gesetzesbrecher bei ihren Taten benutzen.

Immer wieder wird in Gerichtsurteilen veranlaßt, diesen oder jenen Gegenstand, einst zur Tatausführung benutzt, einzuziehen. Und was geschieht später damit?

1. Soweit die Gegenstände für Justizzwecke zu verwenden sind, entscheidet das Justizministerium, welche Dienststelle sie bekommt.

2. Schußwaffen aller Art werden zur weiteren Verwendung dem Münchener Polizei-Verwaltungsamt angeboten.

3. Die eingezogenen Gegenstände – vorn Tatauto bis zum Messer – werden vom Gerichtsvollzieher versteigert.

4. Geringwertige Gegenstände – abgebrochene Schraubenzieher, die einmal zum Knacken von Automaten dienten, zerrissene Kleidungsstücke und schließlich Haschisch – in Nürnberg reichlich vorhanden – werden vernichtet.

Sechs bis acht Personenwagen, die Gesetzesbrecher jährlich zu großangelegten Einbruchsserien, schweren Sittlichkeitsdelikten oder Raubüberfällen benutzt haben, werden von Nürnberger Gerichten eingezogen. Im Maximilianeum wird entschieden, ob dieses oder jenes Fahrzeug künftig unter der Flagge der Justiz weiterfahren kann.

Welch seltsame Wege Justitia manchmal beim Einzug von Tatwerkzeugen geht, beweist folgendes Beispiel: im religiösen Wahn fuhr im Mai 1969 ein ehemaliger Religionslehrer (41) mitten in Nürnberg eine 54jährige Hausfrau tot – vorsätzlich. („Ich dachte, ich sei Jesus und müsse die Frau überfahren.“) Im Dezember vergangenen Jahres fiel das Urteil: Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt. Das Tatauto wurde nicht eingezogen. Es ist unwahrscheinlich, aber dennoch möglich, daß er nach seiner Entlassung aus der Heilanstalt wieder hinter dem Volant seines alten Mercedes sitzen wird.

Hauptkunden: Schrotthändler

Autos, die nicht direkt dem Fiskus einverleibt werden – zu klapprige Fahrzeuge oder schnelle Sportwagen – werden versteigert. In Nürnberg sind dies etwa vier bis sechs im Jahr. Hauptkunden bei solchen Auktionen sind Schrotthändler und Gebrauchtwagen-Verkäufer, die ein gutes Geschäft wittern. Immerhin gibt es Schrottwagen schon ab 20 DM und fahrbereite Wagen ab 500 DM, stattliche Limousinen allerdings bis zu 5.000 DM. Der Käufer muß sich lediglich daran gewöhnen, daß in seinem Wagen jemand ermordet worden ist.

Andere Asservaten-Auktionen bieten vom Taschenmesser über Werkzeuge aller Art bis zu Gebrauchsgegenständen alles, was das Herz begehrt, auch Diebesgut, dessen Besitzer nicht mehr ausfindig gemacht werden können.

Ein Leimtopf der APO

Die Asservatenkammer selbst – hinter einer gut gesicherten Tür im Kellergeschoß des Gerichtsgebäudes an der Flaschenhofstraße – gleicht einem kleinen Kriminalmuseum: neben einer Unzahl von Pistolen und Gewehren lagern dort Totschläger, Stahlruten, Flaschenhälse, mit denen Verbrechen begangen wurden, Baseballschläger und sogar ein Leimtopf der APO, mit dem sie einst ihre Plakate an Nürnberger Häuser klebte.

Selbst Hunde- und Fahrradketten – einst in den Händen der berüchtigten KettenschIägerbande gefährliche Waffen – lagern in den Regalen neben Äxten, an denen noch Menschenblut klebt.

Jährlich wandern rund 100 eingezogene Pistolen und 30 bis 40 Gewehre in die Asservatenkammer und von dort weiter nach München. Den gleichen Weg gehen die jährlich in Nürnberg sichergestellten 1000 Porno-Magazine und rund 50 aus Schweden importierten Porno-Filme (eigene Produktionen deutscher Amateur-Sexfilmer werden immer weniger).

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