8. Januar 1962: Der Justizminister sah sich um

8.1.2012, 06:59 Uhr
8. Januar 1962: Der Justizminister sah sich um

© Ulrich

Die Strafjustiz wird dann im früheren Akademiegebäude an der Flaschenhofstraße zusammengeführt, der Generalstaatsanwalt und die Wirtschaftsabteilung des Oberlandesgerichts bleiben zunächst in der Bucher Straße, so wie auch die anderen Gerichtsstellen in der Zellnerstraße und Marienstraße vorläufig weiter bestehen bleiben, bis sie bei der schrittweisen Räumung des Justizgebäudes ebenfalls an der Fürther Straße unterkommen. Aber das dauert eben noch ein Weilchen.

Immerhin sind dann die Gerichtsbehörden nur noch auf vier oder fünf Stellen im Stadtgebiet verstreut, während es gegenwärtig noch acht oder neun sind und in den Jahren nach dem Kriegsende sogar 20 Stellen waren.

Dies erfuhr man bei einer Pressekonferenz im Justizgebäude, das der Bayerische Staatsminister der Justiz, Dr. Albrecht Haas, mit seinem Referenten und mit den führenden Persönlichkeiten der Nürnberger Justizverwaltung gestern besichtigte. Der Minister kennt die Nürnberger Justizverhältnisse, wie er hervorhob, aus eigener Anschauung, und er ist sich auch vollkommen klar darüber, daß die heutigen Zustände, vor allem im früheren Kutschergebäude und in den Baracken an der Pirckheimerstraße unmöglich und unwürdig sind.

Raumverhältnisse werden sich bessern

Es war deswegen bereits ein Neubau in der Gegend der Peterskirche geplant, doch hat sich dies wegen der Teilfreigabe des Justizgebäudes durch die amerikanische EES-Dienststelle (European Exchange System) erübrigt. In den 200 freigegebenen Räumen (von insgesamt 600) wird tüchtig gearbeitet, und es ist damit zu rechnen, daß sich die Raumverhältnisse der Nürnberger Justiz bald bessern werden.

Der noch von der amerikanischen Armee belegte westliche Teil des Hauptbaues und der Westbau selbst sollen in zwei Stufen geräumt werden, wodurch die Möglichkeit entsteht, die zivile und die Strafjustiz wieder an der Fürther Straßen zusammenzuziehen, wie Oberlandesgerichtspräsident Theodor Hauth, im einzelnen erläuterte.

Der Staatsminister hatte mit seiner Begleitung schon vorher die Nürnberger Strafvollzugsanstalten besichtigt und sie ebenfalls für recht überholungsbedürftig befunden. Erst ein wesentlicher Umbau und Ausbau schaffe die Voraussetzungen für einen modernen Strafvollzug, der die „Resozialisierung“, die Wiedereingliederung der Häftlinge in das gesellschaftliche Leben, zum Ziel hat. Gerade darin liegt es nach den Ausführungen von Oberregierungsrat Karl Stöhr, dem Vorstand der Nürnberger Strafanstalt, noch sehr im argen.

Zahlreiche Erneuerungen kosten Geld

Freilich, man legt die Hände nicht in den Schoß. Heuer stehen, wie Ministerialdirigent Hans Leopold vom Staatsministerium der Justiz mitteilte, 92 000 DM für die Verbesserung der sanitären Verhältnisse bereit – das unhygienische Kübelsystem wird durch das Spülsystem ersetzt – im nächsten Jahr wird mit einem Aufwand von 700 000 DM bis 1 Mill. DM eine moderne Zentralheizung geschaffen. Eine neue Außenmauer wird es ermöglichen, den alten Umwehrungsring des Zellengefängnisses abzubrechen und dadurch Raum für ein neues Werkstattgebäude und für die Erneuerung der Küche und des Krankenhauses zu gewinnen.

Im ganzen wird die Verbesserung der Nürnberger Gefängnisse, die zum Teil schon seit 1865 stehen, vier bis fünf Mill. DM erfordern, einen kleinen Teil nur des Gesamtaufwands für die Umgestaltung und Modernisierung des bayerischen Strafvollzugs, für die in einem „Zehn-Jahres-Plan“ rund 60 Mill. DM vorgesehen sind.

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 8. Januar 1962

 

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