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9. Juni 1971: US-Truppen üben fleißig bei Feucht

9.6.2021, 07:01 Uhr
9. Juni 1971: US-Truppen üben fleißig bei Feucht

© NN

Von allen Diskussionen ungerührt zeigen sich dagegen die in Nürnberg stationierten amerikanischen Verbände. Sie tun, was die Behörden mit dem Übungsplatz erst noch sanktionieren möchten. Im Wald bei Feucht üben sie schon, landen bereits ihre Heereshubschrauber.

Gegen den Standort sprachen sich jetzt nachdrücklich die mittelfränkischen SPD-Landtagsabgeordneten aus. In einem Schreiben an Umweltschutz-Minister Streibl erklärt Franz Kick, es erhebe sich die schwerwiegende Frage, ob für die US-Streitkräfte ausgerechnet wertvolles Gelände im Ballungsraum Nürnberg reserviert werden müsse, zumal es der Staatsregierung sicherlich nicht schwerfalle, in dünner besiedelten Gegenden Grundstücke geringerer Qualität anzubieten.

9. Juni 1971: US-Truppen üben fleißig bei Feucht

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Der SPD-Parlamentarier bemängelt insbesondere, daß der dem Genehmigungsverfahren zugrundegelegte Lageplan der Regierung von Mittelfranken weder im Bau befindliche noch vorgesehene Straßen, weder neue Siedlungen noch das Wasserschutzgebiet der Gemeinde Röthenbach, nicht einmal die von der Bundesbahndirektion Nürnberg erwogene Bahnlinie Roth – Fischbach enthalte, durch die die Strecke Nürnberg – Roth eines Tages für den S-Bahn-Verkehr freigemacht werden soll.

Außerdem forderte Horst Haase, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, eine Verlängerung des Anhörungsverfahrens, das bereits am 14. Juni abgeschlossen werden soll. Haase will damit den Gegnern des Planes, der erst vor wenigen Tagen in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, Gelegenheit zur Meinungsäußerung geben.

Bürger-Initiative geplant

Landtagsabgeordneter Leonhard Heiden, der mit dem Fischbacher Gemeinderat einen Truppenübungsplatz an dieser Stelle ablehnt, hat mittlerweile die Unterschriften von über 200 Moorenbrunner Bürgern überreicht bekommen, die der Regierung von Mittelfranken zugehen. „Wir protestieren in aller Schärfe gegen das Projekt vor unserer Haustür. Wir sind jetzt durch den Fluglärm schon genug belästigt“, erklären sie.

Protesttelegramme verschickte der Vorstadtverein Zollhaus-Langwasser an Minister Streibl, OBM Dr. Urschlechter: „Als größter Vorstadtverein mit fast 3000 Mitgliedern wenden wir uns im Namen der 30 000, künftig 60 000 Einwohner von Langwasser gegen den Truppenübungsplatz. Wir verlangen dringend praktischen Umweltschutz“, verlangte 1. Vorsitzender Dr. Strohbach.

Telegrafischen Protest legte auch der SPD-Ortsverein Feucht bei Minister Streibl ein „Mit Entsetzen nehmen die Bürger zur Kenntnis, daß das Naherholungszentrum zur Farce wird“, schreibt die Partei und lädt in leerstehende Einfamilienhäuser ein, in denen dann der Staatsminister die akustischen Folgen seiner Auffassung vom Umweltschutz genießen könne. In der Gemeinde Feucht soll außerdem morgen um 20 Uhr eine überparteiliche Bürgerinitiative ins Leben gerufen werden, um den Truppenübungsplatz zu verhindern. Die Gründungsversammlung findet im Rathaussaal statt.

Demgegenüber bezeichnet der Leiter des Wehrreferates in der Staatskanzlei, Ministerialrat Helmut Penzel, die Veröffentlichung des US-Vorhabens als „unverantwortliche Beunruhigung der Bevölkerung“ und erinnert daran, daß die amerikanischen NATO-Verbündeten sich vor Jahren nach einigen Verhandlungen bereiterklärt hatten, wegen des neuen Stadtteils Langwasser auf das Märzfeldgelände zu verzichten und auf Ersatzgelände auszuweichen: das Munitionslager in der ehemaligen Muna Feucht, den Landeplatz Feucht. Aber ein Ersatz für den alten Übungsplatz fehle noch.

Penzl bestreitet nicht, daß auf einem Truppenübungsplatz Feucht auch Panzerfahrzeuge umherkurven, Alarmübungen „nur im kleinen militärischen Zugverband“ abgehalten werden und nachts biwakiert wird. Aber: „Scharf geschossen wird seit je nur auf großen Truppenübungsplätzen. Anderes zu behaupten, ist unsinnig.“

Außerdem stellt der Ministerialrat fest: „Der kleine Flugplatz mit seiner 700-Meter-Piste ist längst ohne Ärgernis der Bevölkerung von Altenfurt/Moorenbrunn, Feucht und Röthenbach bei St Wolfgang in Betrieb.“ Daß jedoch erst kürzlich die Bürgermeister Höffkes (Fischbach) und Baum (Feucht) mit Gemeinderäten und interessierten Bürgern sich beim Flugplatz-Kommandanten Major Knight wegen des Lärms beschwerten und der Offizier Abhilfe nach Kräften versprach, ist in München, so scheint es wenigstens, unbekannt.

Auf die Kritik, daß mit einem Truppenübungsplatz im Dreieck Feucht, Fischbach und Röthenbach Gelände verlorengeht, das nutzbringender der Erholung der Bevölkerung und der Entwicklung des Nürnberger Raumes dienen könnte, geht der Wehrreferent in seiner Stellungnahme überhaupt nicht ein.

Dementiert wurde dagegen gestern vom zuständigen Ministerium die Nachricht, daß die Entscheidung bereits gefallen sei. Fischbachs Erster Bürgermeister Peter Höffkes hatte sie aus Ansbach mitgebracht und dazu erklärt: „Wenn die Staatskanzlei das Gelände in Bonn als Truppenübungsplatz angeboten hat und dann sagt, jetzt führen wir noch ein Anhörungsverfahren durch, nur um dem Gesetz zu genügen, dann ist damit niemand gedient.“

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