Kommentar

Absage des Christkindlesmarkts: Viel zu spät und unvermeidlich

20.11.2021, 11:21 Uhr
Kaum aufgebaut, schon wieder ein Fall für den Abbau: Die Buden des Christkindlesmarktes auf dem Hauptmarkt  müssen nach der Absage erneut eingemottet werden.

© Michael Matejka, NNZ Kaum aufgebaut, schon wieder ein Fall für den Abbau: Die Buden des Christkindlesmarktes auf dem Hauptmarkt  müssen nach der Absage erneut eingemottet werden.

Der Christkindlsmarkt ist abgesagt - der Buhmann heißt Markus Söder. Als Nürnberger weiß er um den Stellenwert des weltberühmten Christkindlesmarktes. Und er kennt die Folgen einer Absage: Ein weiterer Schlag ins Gesicht des regionalen Tourismus, Mindereinnahmen für Hotellerie, Gaststätten und Geschäfte. Sowie ein kaum verkraftbarer Schritt für etliche Schausteller.

Und doch hat Söder dieses Mal alles richtig gemacht. Welches Bild wäre entstanden, wenn in der übervollen U-Bahn Menschenmassen Richtung des Marktes gependelt wären? Wenn sich bei der Kinderweihnacht am Hans-Sachs-Platz lange Schlangen vor dem Einlass gebildet hätten? Und wenn - allen Hygienekonzepten zum Trotz - nach dem zweiten Glühwein die Marktbesucher den Abstand vergessen hätten?

All dies ist in Tagen, in denen die Inzidenz von einem Rekord zum nächsten eilt, schlicht nicht vermittelbar. Seit mindestens zwei Wochen sendet der bayerische Ministerpräsident klare Signale an die Kommunen. Fast überall stieß er damit auf Gehör - reihenweise wurden Märkte gecancelt.

Nur in Nürnberg wollte man die Botschaft nicht hören. Fast trotzig twitterte der Wirtschaftsreferent, dass doch alles in Ordnung sei. Auch der Oberbürgermeister wollte von der Söder'schen Defensive wenig wissen. Selbst bundesweit via Talkshow-Auftritt verkündete Appelle verhallten ohne Reaktion.

Umso größer ist der Schaden, der sich nun auftut: Schausteller, die völlig zurecht nach einer angemessenen Entschädigung rufen und enttäuschte Bürger, die sich auf einen Lichtblick in der Vorweihnachtszeit gefreut hätten.

All dies wäre mit etwas Weitblick vermeidbar gewesen. Nürnbergs Stadtspitze reiht sich leider nahtlos in das Corona-Versagen der Länder- und Bundespolitiker ein. Alle Akteure, die in der Verantwortung stehen, ließen die vierte Welle auf sich zurollen, gemäß dem Motto: So schlimm wird es schon nicht werden.

Wie leicht wäre es gewesen, auf einen der leitenden Ärzte aus den Kliniken der Region zu hören. Seit Wochen warnen die Mediziner vor vollen Intensivstationen, klagen über die Überlastung des Pflegepersonals und richten geradezu flehentliche Appelle an die Entscheider.

Wenn Weihnachtsruhe einkehrt, sollte spätestens die Zeit des Nachdenkens beginnen: Muss es tatsächlich immer weiter gehen? Darf der Hang zum Event, der Christkindlesmarkt ist für Nürnberg in etwa das, was das Oktoberfest für München ist, die bitteren Fakten einfach ausblenden?

Solche Fragen müssen diskutiert werden. Der erfahrene Landespolitiker Markus Söder hat seinem Parteifreund Marcus König eine Lektion in Entschlossenheit erteilt. Nürnberg wird auch das zweite Jahr ohne die Stadt aus Holz und Tuch überstehen. Wichtiger als der traditionelle Bummel über den Hauptmarkt ist heuer das Ausschließen aller Infektionsrisiken, die durch oder am Rande von Großveranstaltungen entstehen können.

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