Abwrackboom beschert keine goldenen Nasen

4.6.2009, 00:00 Uhr
Abwrackboom beschert keine goldenen Nasen

© André De Geare

Als skelettierter Schatten seiner selbst steht der rote Mitsubishi in der übervollen Werkstatt. Unter ihm dunkle Lachen, über ihn gebeugt ein Mann im dunkelroten Overall. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn, als er den Motor freilegt, eine Schraube nach der anderen zu Boden fallen lässt. Auf dem Rücksitz des Wagens liegt ein altes Comicheft, an der Frontscheibe klebt eine grüne Umweltplakette. «Das tut einem schon weh«, sagt Dragan Stojanovic und lässt jetzt platschend das Kühlwasser auslaufen. «Bei uns landen Autos, die locker noch vier, fünf Jahre fahren könnten. Dabei gibt so viele Familien, für die das ein Riesengeschenk wäre – aber wir müssen sie verschrotten.«

Flaute beim Ersatzteilverkauf

Keine Seltenheit in diesen Tagen. Rund viermal so viele Kunden klopfen seit Einführung der Prämie im Januar an die Bürotür von Autoverwerter Thomas Meyer, 70 Autos entkernen seine Mitarbeiter und er pro Woche in der Brunecker Straße. Eine goldene Nase verdienen sie sich aber trotzdem nicht. Denn der Schrottpreis ist im Keller, und auch der Preis für eine Tonne Altmetall ist wegen des massiv gestiegenen Angebots und der Krise am Bau innerhalb eines Jahres von 280 auf derzeit rund 60 Euro gesunken. Und selbst mit den Ersatzteilen lässt sich momentan kein gutes Geschäft machen: «Viele der Fabrikate sind die Letzten ihrer Modellreihe, für die es derzeit kaum einen Markt gibt«, sagt Meyer. Und da so viele Menschen jetzt auf Neuwagen umsteigen, sei die Nachfrage nach Ersatzteilen ohnehin zurückgegangen.  Trotz voller Auftragsbücher ist für ihn die Abwrackprämie daher alles andere als ein Erfolg. Auch, weil der Verschrottungsboom vermutlich eine jahrelange Flaute nach sich ziehen wird.

Er ist keine Ausnahme. Bundesweit stöhnen Wirtschaftsökonomen sowie Teile der Autoindustrie, die Prämie werde langfristig eher schaden als nützen. Erstere kritisieren, dass jene, die heute dem Lockruf der 2500 Euro folgen, es eben in den nächsten Jahren nicht mehr tun werden, die Nachfrage nach Neuwagen zwangsläufig einbrechen werde. Außerdem profitiere zu großen Teilen die ausländische Autoindustrie von dem Geldgeschenk der Bundesregierung, die deutsche dagegen verhältnismäßig wenig. Und Gebrauchtwagenhändler klagen, die Menschen würden wegen der günstigen Neuwagenpreise und der Prämie immer seltener bei ihnen einkaufen. Zudem wanderten viele gute Autos in den Schredder statt auf ihre Verkaufsflächen.

3500 PS zerschlagen die Wagen

So ist das auch mit denen, die sich am Hof des Verwerters Meyer stapeln. Nachdem die Räder abmontiert, sämtliche Flüssigkeiten abgelassen und alles Verwertbare ausgebaut ist, kommen die Autos per Lkw in die Derichebourg Schredderanlage am Hafen. Aus ganz Bayern treten Autos hier ihre letzte Reise an. In den Greifarmen eines in den Himmel ragenden Hydraulikkrans werden sie wie Spielzeug auf ein Laufband geschleudert, von dort aus geht es über eine Rutsche in den Schlund der Anlage, in dem 16 140 Kilogramm schwere Hämmer auf das Wrack einschlagen. Erst in Form faustgroßer Einzelteile kann es der Gewalt des 3500 PS starken Motors durch ein Gitter entkommen. Magnete und Menschenhände sortieren es dann nach den verschiedenen Wertstoffen, am Ende verraten nur noch Schrauben oder verbogene Stoßdämpferfedern in den meterhohen Schrottbergen, zu was sie ursprünglich einmal zusammengesetzt waren.

Doppelt so viel Arbeit wie sonst

Über mangelnde Arbeit könne man auch hier nicht klagen, sagt Platzmeister Elmar Staudacher. Etwa 500 Tonnen Haushaltsschrott und Autos – etwa doppelt so viele als sonst – warten täglich darauf, zermalmt zu werden. Rund 350 bis 400 Tonnen davon können weiterverkauft und wieder verwendet werden. Doch auch hier verhindert der niedrige Schrott- und Altmetallpreis einen Geldsegen.

Freilich gibt es aber auch Gewinner der Prämie. Jene, denen ihr schrottreifes Auto auf seinem letzten Gang noch zu einer Finanzspritze für den Neuwagen verhilft, aber auch solche, die ihren Wagen fahren wollen, bis er unter ihnen zusammenbricht. Wie Beate Borg, die in den Autoreihen des Verwertungshofes endlich ein baugleiches Fabrikat ihres alten Mazda ausfindig gemacht hat. Ihr Fazit zur Abwrackprämie: «Ich glaube, dass der Staat zu kurzsichtig gehandelt hat, und mich stört, dass so viele fahrtüchtige Autos zerstört werden. Aber bitte – dafür kann ich meinen jetzt noch ein paar Jahre länger fahren.« Spricht’s, klemmt sich ihre neuen Ersatzteile unter den Arm und verlässt den Hof, um mit ihrem Wagen Baujahr 1995 nach Hause zu fahren.