Amerika und die "Wahlmänner": Über ein kaputtes Wahlsystem

6.11.2020, 19:39 Uhr
Das Wahlsystem in den USA unterscheidet sich stark von dem in Deutschland.

© Dirk Shadd via www.imago-images.de, imago images/ZUMA Wire Das Wahlsystem in den USA unterscheidet sich stark von dem in Deutschland.

In der Wahlnacht war ich in Tucson, Arizona. Von dort sollte ich für den Schweizer Rundfunk die letzten Tage des Wahlkampfes und die Stimmung am “Election Day” einfangen. Eine Hängepartie war abzusehen, auch, als sich schon früh am Abend andeutete, dass es diese “blue wave”, den deutlichen Sieg der Demokraten auf breiter Flur nicht geben wird. Im Vorfeld hieß es ja, Joe Biden würde deutlich gewinnen, dazu würden die Demokraten die Mehrheit im Abgeordnetenhaus ausbauen und fortan die Mehrheit im Senat stellen. Aus all dem wurde nichts. Noch immer warten wir auf ein offizielles Wahlergebnis und im Kongress können die Demokraten ihre großen Pläne zu den Akten legen.

In der Wahlnacht kamen etliche Meldungen von Freunden und Bekannten, die alle fragten, was da los sei in den USA. Und die Messages hören bis jetzt nicht auf. Wie kann sowas nur passieren? Das Problem ist das Wahlsystem, das überholt werden müsste. Es ist veraltet und passt einfach nicht mehr in die heutige Zeit. Doch das “electoral college system” mit seinen Wahlmännern und Wahlfrauen einfach zu beenden wird nicht passieren. Die Amerikaner stehen dazu, vor allem aus dem Grund, die sogenannten “flyover States”, die Mitte Amerikas, nicht außen vor zu lassen. Denn wenn die USA in Zukunft ein Mehrheitswahlrecht einführen würden, dann käme es nur noch auf Kalifornien und New York an. Bundesstaaten wie Wyoming, Wisconsin und andere würden dann bei Wahlen vernachlässigt, vergessen werden.

Maine und Nebraska machen es vor

Doch man könnte hier etwas tun, wie die Beispiele aus Maine und Nebraska zeigen, die seit 1972 und 1991 ganz andere Wege gehen. Dort wurde das “electoral college” angepasst, der Sieger bekommt nicht alle Stimmen, vielmehr wird die Anzahl der “Wahlmänner” proportional verteilt. Das macht Sinn, denn somit heißt es nicht “the winner takes all”, vielmehr wird auch der Verlierer mit 49,9 Prozent der Stimmen, und damit die Wählerinnen und Wähler, nicht einfach übergangen.

Solch eine Reform wäre dringend notwendig in den USA. Damit würde das Wahlsystem nicht nur fairer werden, das Votum repräsentativer, sondern damit würde auch ein Ende der “Swing States” eingeläutet werden. Es ist schwer verdaulich, dass jede Wahl in einigen wenigen Bundesstaaten entschieden und nur dort wirklich intensiv Wahlkampf geführt wird. Was diese Reform jedoch auch bringen würde, wäre ein Zeichen der Politik an die Wählerinnen und Wähler, dass fortan wirklich jede Stimme zählt. Denn derzeit liegt Joe Biden mit über vier Millionen mehr Stimmen vor Donald Trump und könnte doch noch die Wahl verlieren. Das ist nicht demokratisch, das ist in diesen Zeiten nicht mehr vermittelbar.

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