André Rieu: "Strauss’ Musik ist grenzenlos"

14.1.2020, 11:26 Uhr
André Rieu:

© Foto: Günter Distler

Herr Rieu, Sie haben kürzlich Ihren 70. Geburtstag gefeiert. Wie ist es, älter zu werden?

André Rieu: Ich habe das große Glück, auf die schönste Art und Weise älter zu werden, die man sich nur wünschen kann: Umgeben von herrlicher Musik, meinem fröhlichen Orchester, meiner Frau Marjorie und unseren Kindern und Enkeln. Ich bin jetzt seit über vierzig Jahren verheiratet und viele meiner Musiker sind seit über zwanzig Jahren bei mir. Diese Stabilität ist wunderbar. Wir sind, zusammen mit unseren Fans, eine große internationale Familie. Ich habe rund 110 Mitarbeiter und bin der Boss, aber auch ein "Vater" für alle. Das genieße ich sehr.

 

Wie sehr fühlen Sie sich mit 70 Jahren noch der Musik verpflichtet?

Rieu: Zu 100 Prozent. Die Musik ist mein Leben. "A waltz a day keeps the doctor away". Es ist aber weniger eine Verpflichtung als eine große, lebenslange Liebe. Ich habe mit fünf Jahren begonnen Geige zu spielen. Auch Klavier, Oboe und Flöte, aber die Geige war meine Leidenschaft. Heute bin ich eigentlich schon sehr stolz darauf, das größte private Orchester der Welt zu haben.

 

Was sehen Sie, wenn Sie heute ein Foto des jungen André Rieu betrachten?

Rieu: Das kommt auf das Photo an, haha! Aber als junger Mann war ich nicht so glücklich wie heute. Nach meinem Studium spielte ich im Sinfonieorchester meines Vaters, aber ich habe mich dabei überhaupt nicht wohl gefühlt. Ich war echt unglücklich. Bei jeder Probe haben sich die Musiker beschwert, es sei zu laut, zu kalt, zu warm, zu eng und danach sind alle sofort nach Hause gerannt. Ich wollte ein Orchester erschaffen, das wie eine Familie ist, das die Freuden und Sorgen miteinander teilt, um die Welt reist und bei den Aufführungen genau so viel Spaß hat wie das Publikum.

 

Welche Ereignisse haben Ihr Musikerleben nachhaltig geprägt?

Rieu: Als ich jung war, kamen ins Haus meines Vaters, der Dirigent war, sehr viele bekannte Solisten. Aber die reisten immer alleine. Manchmal gab es da noch eine Ehefrau, die hinterher lief und den Instrumentenkasten trug. So wollte ich nicht leben. Ich wollte mit Freunden um die Welt reisen und Musik machen. Deswegen habe ich später mein Orchester gegründet. Das zweite Ereignis war mein erster Walzer: Als kleiner Junge hörte ich im Konzert meines Vaters einmal einen Strauss-Walzer als Zugabe. Ich habe sofort bemerkt, wie sich die Stimmung unter den Zuschauern veränderte. Alle genossen diese wunderbaren Melodien. Da dachte ich, der Walzer hat die Kraft, Menschen wirklich glücklich zu machen.

 

Sind Sie sich als Künstler treu geblieben?

Rieu: Absolut, ja. Sie glauben nicht, wie viele Manager und Plattenlabels mir früher gesagt haben "Geh nach Hause und spiel’ für deine Großmutter!" Ein amerikanischer Promoter wollte mich mal in glitzernde Anzüge stecken, so wie der berühmte Pianist Liberace. Ich würde nie meinen Stil ändern, nur um bestimmten Leuten zu gefallen. Ich glaube, meine Fans spüren das auch. Die spüren, dass es echt ist, was ich mache.

 

Was macht die Musik von Johann Strauss mit Ihnen?

Rieu: Sie macht mich einfach glücklich. Johann Strauss war wirklich ein Genie. Diese Vielfalt der Melodien ist unglaublich. In seiner Musik findet sich alles: Glück, Melancholie, Humor, Traurigkeit und Leidenschaft. Seine Walzer sind schwer zu spielen, auch wenn sie sich so leicht und beschwingt anhören. Ich verehre ihn so sehr, dass ich mein Orchester nach ihm benannt habe. "An der schönen blauen Donau" ist das einzige Stück, das ich in jedem Konzert auf der Welt spiele. Strauss’ Musik ist wirklich zeit- und grenzenlos.

 

Muss sich die Klassik stärker um die jungen Menschen bemühen?

Rieu: Die Klassik sollte mehr auf die Menschen zugehen, ihnen die Angst nehmen. Tödlich für die Klassik ist Snobismus, also der Gedanke "Ich bin was Besseres als du, weil ich Wagner höre". Damit gewinnt man keine jungen Menschen. Man muss sagen, geh’ zu Mozart, höre dir Beethoven an oder Ravel und Prokofjew – das ist großartig! Emotionen sind das Wichtigste. In meinen Konzerten sind oft Kinder. Die sind total fasziniert, tanzen, singen mit, bewundern die Kleider und die Sängerinnen. Für die ist ein Orchester schon ganz früh im Leben etwas Tolles.

 

Was geschieht im Leben eines Vollblutmusikers abseits des Rampenlichts?

Rieu: Haha, das ist total normal! Ich gehe mit den Hunden spazieren, kaufe ein, koche, renoviere oder spiele mit meinen Enkeln. Und zwischendurch kommt dann mal eine kleine Tournee mit 150 Leuten nach Kolumbien, Chile oder, wie Anfang 2020, auch nach Deutschland! (lacht)

André Rieu tritt am 17. Januar (20 Uhr) in der Arena Nürnberger Versicherung auf; Restkarten im NN-Ticketcorner,  Telefon:0911/2162777.

 

 

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