Anonymer Polizist klagt an: "Es fehlt an allem"

13.5.2016, 06:00 Uhr
Kritik an der Ausrüstung: Die Schutzweste gewährleiste "keinen Schutz bei größeren Kalibern".

© Edgar Pfrogner Kritik an der Ausrüstung: Die Schutzweste gewährleiste "keinen Schutz bei größeren Kalibern".

Im Schichtdienst fehle es "mittlerweile an allem", beklagt der Autor des Appells, "vor allem an Personal". Gleichzeitig listet er etliche Beispiele dafür auf, dass die Ausrüstung der Streifenbeamten unzureichend sei. Die aktuelle Dienstwaffe etwa sei veraltet, sie zeige "regelmäßig Hemmungen beim Übungsschießen". Die vom Dienstherrn gestellte Schutzweste gewährleiste "keinen Schutz bei größeren Kalibern".

Die Taschenlampen seien veraltet, dienstliche Fotos müssten mit dem privaten Mobiltelefon geschossen werden, und die Polizeibeamten im Schichtdienst hätten keine Warnschutzjacken. Schließlich beklagt der "Brandbrief"-Autor, Streifenbeamte könnten nach wie vor keine Taser nutzen und dass es "keine Ausstattung mit ordentlichen Schlagstöcken" gebe. Nicht zuletzt mahnt der Verfasser mangelnde Fortbildungen an.

Zumindest ein Teil dieser Kritikpunkte stößt auf ungeteilte Zustimmung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Zum Beispiel das Thema Schlagstock: Der bei der bayerischen Polizei weit verbreitete Tonfa - ein etwa 50 Zentimeter langer Hartgummistock mit Handgriff - sei vor allem im Streifendienst sehr unhandlich, unterstreicht Rainer Hirschmann, Vorsitzender der DPolG Mittelfranken. Wegen seiner Länge muss er vor dem Einsteigen ins Einsatzfahrzeug abgenommen werden - bei eiligen Einsätzen wird er dann gerne einmal im Wagen vergessen.

Tauziehen um Einsatzstock

Eine Alternative wäre der "Einsatzstock kurz ausziehbar" (EKA). Zivile Einsatzkräfte dürfen den modernen Schlagstock in Bayern bereits seit 2007 nutzen, so Hirschmann. Doch um die Einführung im Streifendienst findet seit vier Jahren ein Tauziehen statt. Trotz ausdrücklicher Empfehlungen und sehr positiver Bewertungen während einer Praxis-Erprobung habe sich das Innenministerium bis heute nicht zu einer Entscheidung durchringen können. Auch beim Thema Warnschutzjacken stimmt Hirschmann dem "Brandbrief"-Schreiber zu: Zumindest außerhalb der (meist gut beleuchteten) Großstädte müssten alle Polizeibeamte, die im Verkehrsbereich tätig seien, mit einem solchen Schutz ausgestattet sein. Die Dienststellen hätten die Möglichkeit, einen Pool von Warnschutzjacken anzuschaffen.

Das ginge jedoch zulasten des Dienststellen-Budgets, was andere notwendige Anschaffungen verhindere. Die DPolG hofft deshalb darauf, dass die Einsatzbeamten mit der Einführung der neuen (blauen) Uniform in Bayern die Warnschutzjacken aus der persönlichen Budget-Zuweisung anschaffen dürfen. Bei der Schutzweste sieht Hirschmann Licht am Ende des Tunnels. Mit Einführung der neuen Uniform soll jeder Streifenwagen mit einem Schutzpaket nachgerüstet werden.

Es enthält unter anderem schwere kugelsichere Schutzwesten für Bedrohungslagen. Die aktuelle (Unterzieh-) Schutzweste stellt einen Kompromiss dar. Härterem Beschuss, etwa aus einer Maschinenpistole, hält sie nicht stand, weil sie leicht genug sein muss, um die Beweglichkeit der Streifenbeamten im täglichen Dienst nicht einzuschränken.

Taser-Arbeitsgruppe eingerichtet

Zum Taser ist beim Innenministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, so Hirschmann. Die DPolG sieht diesen Elektroschocker als sinnvolle Ergänzung zu dem Pfefferspray als Kurzdistanzwaffe und der Pistole - zum Beispiel, um einen Messerangreifer außer Gefecht zu setzen, ohne ihn zu verletzen, wie dies bei einem Pistolenschuss der Fall wäre.

Eine ministerielle Arbeitsgruppe soll auch die künftige Polizeipistole auswählen. Denn die aktuelle bayerische Dienstwaffe, die P7 von Heckler & Koch wird nicht mehr hergestellt – was zunehmende Schwierigkeiten bei der Ersatzteile-Beschaffung nach sich zieht, so Hirschmann. Die Probleme beim Übungsschießen entstünden durch die ungewöhnlich hohen Schussfrequenzen. Die Ablösung durch eine neue Dienstwaffe müsse aber früher kommen als zum geplanten Zeitpunkt 2018.

Beim Thema Fortbildung stimmt Hirschmann dem "Brandbrief"-Autor teilweise zu. Für Spezialthemen wie zum Beispiel die Verkehrsunfallaufnahme oder das Erkennen von Dokumentenfälschungen gebe es Fortbildungsmodule. Doch für den normalen Streifendienst "vermissen wir Seminare". Für die Beamten dort wäre es vor allem wichtig, regelmäßig zu Rechtsentwicklungen geschult zu werden, so der DPolG-Bezirkschef.

Und der schlechte Personalstand? Der "Brandbrief" bezeichnet dies als "das größte Problem". Der Streifendienst habe sich zu einem "reinen Aufnahmedienst" entwickelt. Statt den Bürger betreuen zu können, müssten die Beamten "von Einsatz zu Einsatz" fahren. Täter könnten dadurch nicht mehr ermittelt werden. Für Verkehrskontrollen oder das Befahren von Seitenstraßen sei keine Zeit mehr.

Rainer Hirschmann hat dem nichts hinzuzufügen: "Das ist Fakt."

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