Anrufe bei Kinderschutz-Hotline haben sich verdreifacht

8.4.2013, 07:20 Uhr
Anrufe bei Kinderschutz-Hotline haben sich verdreifacht

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Die wichtigsten Bausteine des Frühe-Hilfen-Konzepts sind die im Jugendamt angesiedelte Koki-Hotline (231-3333) sowie die im Gesundheitsamt beheimatete Aufsuchende Gesundheitshilfe (AGH).

Die Hotline ist rund um die Uhr besetzt – was aber freilich mit den dort dafür vorgesehenen 1,5 Stellen nicht geht. Zwischen 8 und 16 Uhr sind die beiden Sozialpädagoginnen der Koki im Einsatz, danach und an den Wochenenden werden die Anrufer auf den Krisen- und Jugendnotdienst umgeleitet. Gegenüber dem Start 2009 hätte sich die Zahl der Anrufe verdreifacht, berichtet Gisela Hertel-Kreßmann von der Koki. „Ich bin da manchmal schon am Telefon festgetackert.“ Einmal habe sie an einem Arbeitstag 60 Telefonate geführt. Im ersten Quartal 2013 gingen 740 Anrufe ein.

Es rufen Nachbarn an, weil sie Kinder weinen hören, aber auch zum Beispiel Mediziner oder Hebammen, die sich Sorgen machen oder fachlichen Rat brauchen. Oft sind überforderte Eltern in der Leitung, und zu einem geringeren Prozentsatz Kinder und Jugendliche, die Hilfe suchen, weil sie zu Hause prügelnde Eltern oder sexuellen Misssbrauch erleben. Hertel-Kreßmann und ihre Kollegin vermitteln die Anrufer an geeignete Stellen oder helfen selbst. „Manche Gespräche dauern nur drei Minuten, andere eineinhalb Stunden.“

Nürnberg übernimmt inzwischen auch für andere Jugendämter aus der Region den Telefondienst mit, wenn deren Stellen nicht besetzt sind. Insgesamt sind am Jugendamt laut Frank Schmidt, Bereichsleiter für Erzieherische Hilfen und Soziale Dienste, für die Koki 2,5 Stellen angesiedelt; eine Kollegin ist für die Koordination zuständig.

Die Aufsuchende Gesundheitshilfe hat seit ihrer Gründung rund 580 jungen Eltern geholfen. „Bei zwei Dritteln der Familien ist unsere Aufgabe nach ein bis drei Besuchen beendet“, sagt Katja Günther, stellvertretende Gesundheitsamtschefin. Da gehe es lediglich darum, zum Beispiel jungen Müttern Tipps zu geben, die unsicher im Umgang mit ihrem Kind sind. Bei dem verbleibenden Drittel sind die Fälle schwieriger, hier ist die AGH teilweise zweimal die Woche in den Wohnungen, um nach den Rechten zu sehen. Es handelt sich zum Beispiel um Familien die durch die Erkrankung des Kindes oder eines Elternteils Probleme haben, die sich ökonomisch in einer schwierigen Situation befinden oder in denen die Eltern suchtkrank sind. In den letztgenannten Fällen sei dann aber das Jugendamt in Form des Allgemeinen Sozialdienstes mit an Bord, so Günther.

Sowohl bei der Betreuung der Koki-Hotline als auch bei der AGH sind die Anforderungen im Lauf der Jahre gewachsen, doch personell wurde kaum nachgebessert. „Es ist eng bemessen, aber wir kommen gerade so hin“, sagt Jugendamt-Bereichsleiter Schmidt. Für die AGH sollten laut ursprünglichem Plan drei Vollzeitstellen für Kinderkrankenschwestern und eine 0,75-Arztstelle geschaffen werden. Nun arbeiten zwar drei Krankenschwestern in dem Dienst, aber sie teilen sich 1,5 Stellen. Und bisher blieb es bei einer 0,25-Arztstelle. Da das Angebot aber bestens angenommen werde, seien Überstunden für die wenigen Kräfte die logische Folge, betont Günther, die als Ärztin auch selbst oft für den Dienst im Einsatz ist.

Über die Bundesinitiative Familienhebammen könnten Mittel für eine Aufstockung fließen – doch die Interpretation der Förderrichtlinien hat zu Irritationen zwischen Gesundheits- und Sozialverwaltung geführt. Sozialreferent Reiner Prölß argumentiert, dass die AGH ihr Konzept ändern müsste, um an die Gelder zu kommen. Grob skizziert fordern die Richtlinien laut Prölß, dass das Jugendamt nach dem Erstkontakt durch die Kinderkrankenschwestern ebenfalls relativ rasch mit in die Familien geht und für die Betroffenen ein schriftlicher Hilfeplan erstellt wird. Günther sieht dadurch die Niedrigschwelligkeit gefährdet – gerade das unkomplizierte, unbürokratische Verhältnis zwischen Kinderkrankenschwestern und Familien sei das Erfolgsrezept der AGH. „Wenn der jungen Mutter neben einer Kinderkrankenschwester auch noch ein Mensch vom Jugendamt gegenübersteht, könnte das eher verstörend sein“, sagte kürzlich im Anschluss an den Gesundheitsausschuss des Stadtrats auch der für den Gesundheitsbereich zuständige Referent Peter Pluschke der NZ. Außerdem würden ja die Sozialpädagoginnen der Koki bei regelmäßigen Treffen mit der AGH über die Besuche in den Familien informiert, so Günther.

Prölß hält es indes für wichtig, „neben der medizinisch-pflegerischen auch die sozialpädagogische Expertise“ möglichst bald bei der Betreuung der Familien vor Ort zu haben; und er wehrt sich gegen ein falsches Bild von Jugendhilfe, es handele sich hier nicht um eine „Eingriffsverwaltung“, sondern um eine Hilfe für Eltern und Kinder. Günther dagegen weiß nicht, warum ein erfolgreiches Konzept geändert werden soll. „Wir bekommen von allen Seiten positive Rückmeldungen. Von den Eltern, den Fachleuten und auch fraktionsübergreifend von den Stadträten.“

Die Zahl derjenigen Eltern, die sich selbst bei der AGH melden und um Hilfe bitten, geht konstant nach oben, was auf die Akzeptanz des Dienstes hinweist. In einer 2012 erstellten Tabelle lag der Anteil der Selbstmelder bei 15,2 Prozent und machte damit den zweitgrößten Posten in der Aufschlüsselung der Vermittlungen nach den Entbindungskliniken (47,5) aus.

Günther hofft, dass die Fördergelder abgerufen werden können, ohne die bisherige AGH-Praxis über den Haufen zu werfen. Inzwischen wurden die Mittel beim Landesjugendamt beantragt, die Organisationsstrukturen im Antrag aber relativ offen gelassen. Das heißt, die Entscheidungshoheit liegt beim Landesjugendamt. Prölß macht aber auch deutlich, dass es unabhängig von solchen Förderungen eine politische Entscheidung ist, ob man das Konzept „Frühe Hilfen“ personell aufstocken will: Es liege in der Entscheidungshoheit des Stadtrats, sich bei den nächsten Haushaltsverhandlungen für entsprechende Stellenschaffungen auszusprechen.
 

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