Arbeiten Menschen nur, wenn sie müssen?

15.9.2014, 11:30 Uhr
Keiner würde arbeiten, gäbe man ihm Geld umsonst. Oder etwa doch? Die Meinungen zum bediungslosen Grundeinkommen gehen auseinander.

© Klaus-Uwe Gerhardt/pixelio.de. Keiner würde arbeiten, gäbe man ihm Geld umsonst. Oder etwa doch? Die Meinungen zum bediungslosen Grundeinkommen gehen auseinander.

 Die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht neu. Seit 2013 steht die Forderung danach sogar in einem Bundestags-Wahlprogramm. Doch für die meisten ist die Einführung einer solchen staatlichen Zuwendung reine Utopie.

Michael Bohmeyer aus Berlin hingegen lebt mit einem Grundeinkommen. Seine Erfahrung: Seit er keinen festen Job mehr hat, ist er so umtriebig und engagiert wie nie zuvor.

Nun hat er ein Projekt gestartet, mit dem er Menschen ein bedingungsloses Grundeinkommen ermöglichen will. Mit seiner Crowdfunding-Kampagne sammelt er Spenden, bereits nach 22 Tagen waren die ersten 12.000 Euro finanziert, mittlerweile sind es gut 30.000 Euro. Die Aktion läuft noch bis 18. September. Dann werden die Grundeinkommen verlost. Und Menschen können ein Jahr ausprobieren, was mit ihnen passiert, wenn sie nicht arbeiten müssen für ihr Geld.

"Menschen mit Geld ruhig stellen reicht nicht"

Verena Osgyan ist gespannt, was am Ende dabei herauskommt. "Natürlich klingt das auf den ersten Blick sehr attraktiv. Es würde das Sozialsystem extrem vereinfachen", sagt die Nürnbergerin, die für die Grünen im Bayerischen Landtag sitzt. "Aber ich bin noch zwiegespalten." Ein Grundeinkommen könne zwar dabei helfen, Menschen mehr Freiräume für ehrenamtliches Engagement zu schaffen. Der Staat dürfe aber nicht auf eine Rolle reduziert werden.

"Menschen mit Geld ruhig stellen alleine reicht nicht", sagt Osgyan. Die Landtagsabgeordnete befürchtet, dass beispielsweise der Einsatz für gute Arbeitsbedingungen leiden könnte. Außerdem sei die Finanzierung durch den Staat noch völlig unklar. "Das muss man erst einmal seriös durchrechnen." In der Zukunft allerdings könnte sie sich ein Grundeinkommen durchaus vorstellen: "Wenn die Automatisierung weiter fortgeschritten ist, könnte das ein Thema werden."

Wie viel Geld braucht man, um ohne Existenzängste leben zu können?

Wie viel Geld braucht man, um ohne Existenzängste leben zu können? © dpa

Schon jetzt ein Thema für die aktuelle Politik ist das Grundeinkommen für die Piraten. In ihrem Programm für die Bundestagswahl 2013 forderten sie die Einführung. "Den Sozialstaat, wie er jetzt finanziert wird, können wir auf Dauer nicht halten", sagt Bertram Kraus von den Nürnberger Piraten. "Wir müssen Menschen ermöglichen zu arbeiten, ohne in ständiger Existenzangst zu leben."

Vor allem in einer Gesellschaft, die auf Wissen und Kreativität aufbaue, sollten sich Menschen entwickeln und ausleben dürfen. "Im akutellen System ist dafür aber kein Platz", sagt Kraus. Deshalb findet er auch das Crowdfunding-Projekt aus Berlin gut. "Es ist eine symbolische Aktion, aber sie zielt genau darauf hin, zu beweisen, dass Menschen nicht faul sind, sobald sie nicht mehr zum Arbeiten gezwungen werden." Die Höhe des Grundeinkommes von 1000 Euro im Monat findet der Nürnberger richtig bemessen. "Das Geld muss existenzsichernd sein."

Auch die SPD will den Menschen ein würdiges Leben ermöglichen, wählt dafür aber ein anderes Konzept. "Der Mindestlohn ist gerechter als ein bedinungsloses Grundeinkommen", sagt Bundestagsabgeordneter Martin Burkert. Die Sozialdemokraten haben ein lange Debatte darüber geführt. "Aber wir glauben, dass durch das Grundeinkommen Gerechtigkeitsfragen ungeklärt bleiben."

"Einkommen ohne Leistung funktioniert nicht"

Michael Frieser hält vom bedinungslosen Grundeinkommen überhaupt nichts. "Das ist an keinerlei Leistung geknüpft, davor warne ich", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete. Auch glaubt der Nürnberger nicht, dass die Menschen dann mehr ehrenamtlich arbeiten. "In der Realität ist doch das Gegenteil der Fall: Diejenigen die Zeit haben, engagieren sich am wenigsten. Und die mit Beruf füllen Ehrenämter neben ihrem Job aus." Bei der Finanzierung sieht Frieser auch große Probleme: "Das müsste über Steuergelder geregelt werden. Aber die entstehen durch Leistung."

Anja Klier vom Deutschen Gewerkschaftsbund Mittelfranken hat andere Sorgen: "Ein Grundeinkommen löst die sozialen Probleme nicht." Wenn jeder einen gewissen Sockel bekäme, sich aber trotzdem Arbeit suchen würde, würden dadurch im endeffekt Löhne subventioniert. Der Arbeitgeber würde profitieren, weil er ja weniger zahlen müsste. "Die Menschen würden aber einfach nur billigere Arbeitskräfte werden."

Klier fordert, dass vielmehr die Löhne steigen sollten. "Die Diskussiion um das Existenzminimum muss weiter geführt werden. Momentan ist beispielsweise Hart IV zu niedrig angesetzt." Reformen auf dieser Ebene wäre aber sinnvoller als die Einführung eines Grundeinkommens - bei dem auch noch gar nicht sicher ist, wie hoch das denn sein sollte. "Steigende Löhne tragen mehr zum sozialen Frieden bei."

Den Link zum Crowdfunding-Projekt finden Sie hier.

Das Ergebnis des nordbayern.de-Votings finden Sie hier.

60 Kommentare