Auch ein Engel braucht Ruhephasen

25.11.2005, 00:00 Uhr
Auch ein Engel braucht Ruhephasen

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Sein Name bedeutet aus dem griechischen übersetzt „Engel“, doch wenn er spielt, ist er alles andere als ein abgehobener Zeitgenosse: Angelos Plantzas, der kürzlich seine Zelte beim Basketball-Bundesligisten Sellbytel Baskets Nürnberg überraschend abbrach und zum Regionalligisten TS Herzogenaurach wechselte, ist immer mit vollem Herzen bei der Sache. Egal, was er macht, ob im Sport oder im Beruf. Und genau das war auch der Grund, warum der 34-jährige Deutsch-Grieche schweren Herzens sein Engagement beim Bundesliga-Neuling in Nürnberg beendete.

Als Werkstoffingenieur bei Siemens geht Plantzas einem ordentlichen Beruf nach. Fast 40 Stunden in der Woche, tagein, tagaus. Und daneben frönte er seiner großen Leidenschaft seit Kindesbeinen. Schon vor dem Saisonstart wollte er eigentlich in Nürnberg aufhören, doch Baskets-Trainer Stephan Harlander überredete den Aufbauspieler, trotz der Doppelbelastung noch ein Jahr weiterzumachen.

Beruf und Sport ließen sich nicht vereinen

Doch nach einigen Spieltagen und zahlreichen anstrengenden Auswärtsfahrten musste Plantzas einsehen: Es geht nicht mehr, Sport und Beruf lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Seine endgültige Entscheidung fiel nach der Partie in Bremerhaven. Am Spieltag stand er früh morgens um halb sieben in der Arbeit, dann ging es mit dem Zug nach Bremerhaven, direkt zum Spiel und danach wieder in den Bus auf die 650 km lange Fahrt nach Hause. Ankunft früh morgens, halb acht, gerädert und hundemüde. Und dann noch in der Arbeit seinen Mann stehen? Praktisch unmöglich. „Ich habe es ja selber so gewählt“, sagt Plantzas, „aber irgendwann muss man sich ja mal ausruhen, und in letzter Konsequenz leidet auch der Sport darunter. Wenig Schlaf und die ganze Zeit unterwegs, da ist man nicht hundertprozentig fit.“

Und genau das ist aber sein Anspruch, seitdem er in seiner Heimat mit dem Basketball angefangen hat. Halbe Sachen sind nichts für Plantzas, und deshalb reifte „nach wochenlanger Überlegung“ sein Entschluss, den Nürnbergern ade zu sagen und beim Drittligisten Herzogenaurach anzuheuern. Dort wurde Angelos Plantzas voller Hoffnung empfangen. Bis zu seinem Wechsel hatte die Mannschaft als Aufsteiger Lehrgeld bezahlt und noch kein einziges Spiel gewonnen. Doch Plantzas kam, sah und siegte: Gleich bei seinem Debüt im Dress der Turnerschaft zeigte er seine Qualitäten als Regisseur und führte die bis dahin etwas verunsicherte Mannschaft zu ihrem ersten Saisonsieg. „Die Spielorganisation war die Achillesferse im Team, das hat man gesehen“, berichtete Plantzas von seinen ersten Eindrücken, „ich denke, ich kann ganz gut für die Ballkontrolle sorgen.“

Aufgenommen haben ihn die Herzogenauracher mit offenen Armen. Seine langjährige Erfahrung in der Zweiten Liga bei Rattelsdorf und Nürnberg könnten den „kleinen Griechen“, wie er von den Fans in der Noris liebevoll genannt wurde, zum Garanten für den Klassenerhalt machen. Zudem brachte es Plantzas im ersten Spiel für Herzogenaurach gleich auf 19 Punkte und unterstrich damit auch seine Qualitäten als nervenstarker und treffsicherer Schütze. „Das war auch ein Motivationsschub für jeden einzelnen“, sagte er nach seinem geglückten Einstand als Denker und Lenker, „jetzt kann sich jeder Spieler auf sich selbst und sein Spiel konzentrieren.“

Enge Freundschaft zu Trainer Harlander

Wenn er an seine drei Jahre bei den Korbjägern aus Nürnberg zurückdenkt, ist es keinesfalls ein Blick zurück im Zorn. Mit Trainer Stephan Harlander verbindet ihn eine enge Freundschaft, zu jeder Zeit konnte sich Harlander auf ihn verlassen. „Loyalität ist einer der wesentlichen Charakterzüge von Angelos“, sagt Harlander, der deshalb auch dem Wunsch nach der Freigabe sofort entsprach. „Bei dem, was er für uns getan hat, war das keine Frage.“

Gesetzt war der Spielmacher nie, doch wenn er von der Bank kam, war Plantzas sofort da. Eingewöhnungszeit brauchte er nicht, er war (und ist nun zwei Klassen tiefer) immer sofort hellwach — der Mann für ganz spezielle Aufgaben. Dann wenn seine Nerven aus Drahtseilen gefragt waren, traf er elegant aus der Distanz und hatte entscheidenden Anteil an so manchem Sieg des jetzigen Bundesligisten. „Das war sportlich meine schönste und erfolgreichste Zeit“, bilanziert Plantzas.

Besonders in Erinnerung bleibt Nürnbergs Basketball-Fans ganz sicher ein Spiel der Aufstiegssaison: Beim Gastspiel in Ehingen, das zuvor gegen Nürnbergs Hauptkonkurrent Ulm stark aufgetrumpft hatte und in dem der etatmäßige Spielmacher Marcel Tenter ausfiel, sprang Plantzas in die Bresche und führte die Mannschaft zum souveränen Sieg. „Einige haben mir das nicht zugetraut. Aber da hab’ ich ein paar Mäuler gestopft“, sagt er heute.

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