Ende einer 30-jährigen Ära

Auf Trutschel folgt Ex-Clubberer Eigler: Zapfenstreich im "Stern" in Schwabach

Claudia Weinig

Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung/Hilpolsteiner Zeitung/Schwabacher Tagblatt/ Wochenanzeiger Roth-Sch

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12.2.2022, 06:46 Uhr
Das große Räumen hat begonnen: In der Lounge vom „Goldenen Stern“ bietet das Gastronomenehepaar Petra und Dieter Trutschel, das 30 Jahre lang die traditionsreiche Gaststätte mit gehobener „klassischer“ Küche führte, überflüssig gewordene Deko an. Denn am 20. Februar wechseln die beiden in den selbst gewählten Ruhestand.

© Claudia Weinig Das große Räumen hat begonnen: In der Lounge vom „Goldenen Stern“ bietet das Gastronomenehepaar Petra und Dieter Trutschel, das 30 Jahre lang die traditionsreiche Gaststätte mit gehobener „klassischer“ Küche führte, überflüssig gewordene Deko an. Denn am 20. Februar wechseln die beiden in den selbst gewählten Ruhestand.

Freundliche Osterhasen und täuschend echte Stoffblumen-Gestecke; schimmernde Dekostoffe und hübsche Vasen; mittendrin sogar eine alte Schreibmaschine; Gläser, Flaschen: Es sind wohl Hunderte von Deko-Teilen, die von drei Jahrzehnten Schwabacher Gastronomiegeschichte in einem der traditionsreichsten Gasthäuser im Herzen der Stadt zeugen. Zu fast jedem Teil könnten Petra und Dieter Trutschel eine Geschichte erzählen. Nun endet diese Geschichte: Nach 30 Jahren zieht sich das renommierte Pächter-Ehepaar des „Goldenen Sterns“ ins Privatleben zurück.

Der Küchenmeister und gebürtige Schwabacher Dieter Trutschel und seine aus Baden-Baden stammende Frau, beide Jahrgang 1959, haben viel gemeinsam erlebt und gesehen. Schließlich kennen sie sich seit über vier Jahrzehnten und sind fast genauso lang verheiratet. Eines aber haben sie vor allem anderen getan: gemeinsam viel gearbeitet.

„Ich wusste, auf was ich mich einlasse“, sagt Petra Trutschel mit einem Schmunzeln und mit Blick auf ihre 36-jährige Vergangenheit in der Schwabacher Gastronomieszene - anfangs sechs Jahre in der „Goldenen Sonne“ in der Limbacher Straße, seit 1992 im Herzen der Stadt, im „Goldenen Stern“ am Königsplatz. Dieter Trutschel fand nach einem ihm selbst zufolge "eher mittelmäßigen" Realschulabschluss in seiner Heimatstadt mit seiner Berufswahl zu seiner eigentlichen Passion: dem Kochen. Und zwar auf hohem und höchsten Niveau. Genau das brachte er nach Schwabach mit.

Sprung in die Selbstständigkeit

Die „Sonne“ bedeutet 1986 für den jungen Dieter Trutschel, der in führenden Hotels unter anderem in Baden-Baden, Karlsruhe und in Bern sein Küchenhandwerk gelernt hat, den Sprung in die Selbstständigkeit - samt seiner Familie, zu der damals schon zwei kleine Kinder zählten. Petra Trutschel wiederum hatte im Vorfeld für die Gastronomielaufbahn ihren Beamtenjob bei der Post an den Nagel gehängt und zur Restaurantfachfrau mit der Lizenz zur Ausbildung umgeschult, um an der Seite ihres Mannes in der Gastro-Szene arbeiten zu können – er in erster Linie in der Küche, sie im Service.

Eines hatte sich für Dieter Trutschel schon während der Lehre herauskristallisiert: „Durchschnitt“ war ihm zu wenig. Viel zu wenig. Darum auch die harten Lehrzeiten in Sterne-Küchen im In- und Ausland. Ein Anspruch, von dem er und seine Frau in all den Jahren nie lockerlassen wollten, und der eines bedeutet: Nie wirklich zufrieden zu sein, sondern sich immer weiterzuentwickeln.

Die Trutschels taten es und wurden dafür im Laufe der Jahre mit etlichen renommierten Gastro-Auszeichnungen belohnt. Nur zu einem Michelin-Stern hat es nicht gereicht. „Natürlich wäre das schon etwas gewesen, das ich einerseits gern gehabt hätte“, gibt Dieter Trutschel ohne Zögern zu. „Aber andererseits kommen die Gäste dann auch mit einem gewissen Anspruch, dem man immer gerecht werden muss. Das bedeutet richtig viel Druck. Darum geben manche Köche tatsächlich Sterne zurück, weil sie sich diesem Druck nicht permanent aussetzen wollen.“

Ein Chef mit Teamgeist

Wenn Dieter Trutschel von seiner Arbeit erzählt, dann klingt auch nach rund 40 Jahren Küchenerfahrung die Begeisterung für sein Tun durch. Aber genauso ein gewisses Maß an Autorität. Keine Frage - Dieter Trutschel weiß was er will - von sich, doch genauso von seinem Team, das bis zu 35 Köpfe zählt. „Familär“ gehe es bei ihnen zu. Doch müssten Aufgaben auch klar verteilt sein, lässt Trutschel keinen Zweifel daran, wer die (Koch-)Mütze auf hat - immer in Absprache mit seiner Frau, die selbst dem griesgrämigsten Gast noch etwas Gutes abgewinnen kann.

„Vielleicht hat er einfach einen schlechten Tag gehabt“, meint sie mit einem lächelnden Schulterzucken. „Ich habe meinen Leuten im Service immer gesagt: ,Ihr könnt denken, was Ihr wollt. Aber Ihr dürft es Euch nicht anmerken lassen. Der Gast ist und bleibt König.‘" Ihre Erfahrung habe sie außerdem gelehrt: „Das Sprichwort, ,Wie man in den Wald ruft, so kommt es zurück', hat ganz viel Wahres in sich. Ich mag behaupten: 98 Prozent unserer Gäste sind wirklich nett und freundlich.“ Und viele von ihnen sind Stammgäste im „Stern“, etliche sind den Trutschels sogar schon von der „Goldenen Sonne“ gefolgt, wo die Schwabacher Gastro-Erfolgsgeschichte Ende der 1980er Jahre begann.

Zurück zu den Anfängen: Nach zehnjähriger Abstinenz kehrte Dieter Trutschel also als Küchenmeister mit Frau und zwei kleinen Kindern zurück in seine Heimatstadt und übernahm 1986 die „Sonne“. Hier wollte er sich erst einmal lukullisch vortasten, ob und wie er die Schwabacher für die gehobene Küche begeistern kann - inklusive eines entsprechenden Preis-/Leistungsniveaus, das schon damals deutlich über dem eines „normalen“ fränkischen Gasthauses lag.

Braten musste trotzdem sein

„Aber der Franke braucht doch sonntags sein Schäuferle mit Kloß“, blickt Petra Trutschel auf ihre damalige Denkweise zurück. Also stand auch das auf der Speisekarte - neben einer „Spezialitätenecke“ mit exquisiten Wild-, Fisch-, und Fleischgerichten, bevorzugt gekocht mit regionalen Produkten. „Klassisch“ sei er schon immer in der Küche unterwegs gewesen, sagt Trutschel. Experimente wie die „Molekularküche“ habe er interessiert verfolgt, auch mal mit Lehrlingen ausprobiert, „aber das war noch nie Deins“, springt ihm seine Frau bei der Erklärung zur Seite, welchen Stil er am Herd pflegt.


NN-Gastro-Guide: Der "Goldene Stern" in Schwabach


Es dauerte nicht lange, und es sprach sich herum: Die Trutschels können „Braten und Co.“. Aber viel interessanter ist das, was sie bis dato in besagtem Spezialitäteneck anboten. So wurde die „Nische“ ziemlich schnell zur „Hauptkarte“ – ohne dass dabei Schäufele, Bratwürste auf Kraut oder Ähnliches ganz gestrichen wurde. Ein Küchen-Credo, dem das Gastro-Paar bis heute treu geblieben ist.

Standortwechsel ohne zu zögern

Als sich dann 1992 die „einmalige Chance“ ergab, den damals frisch sanierten „Goldenen Stern“ in einer gastronomischen 1a-Lage im Herzen von Schwabach zu pachten, griffen die Trutschels ohne zu zögern zu. Weil es genau so war, wie sie es sich immer vorgestellt hatten. Jetzt hatten sie zu ihrem Gastro-Konzept auch noch den perfekten Rahmen.

Erst ein zehnjähriger, dann ein anschließender 20-jähriger Pachtvertrag sicherten ihnen die Bleibe an prominenter Stelle - sowohl geschäftlich als auch privat. Denn Dieter und Petra Trutschel arbeiteten nicht nur im „Stern“, sie wohnten auch dort, zogen hier ihre drei Kinder groß - und nicht selten war die Gaststube zugleich Ess- und Wohnzimmer für die fünfköpfige Familie. „In der Gastronomie zu arbeiten, wenn man sieben Tage die Woche offen hat, dazu Familie und Haushalt noch zu haben – also Arbeit ist das schon“, erzählt Petra Trutschel.

"Das war schon viel Arbeit"

Sie tut es im Plauderton, der nichts von dieser jahrelangen Dreifachbelastung verrät. Wie sagte sie schon zu Beginn des Gesprächs: „Ich wusste ja, auf was ich mich einlasse.“ Wusste sie tatsächlich, denn Petra Trutschels Großeltern führten in Baden-Baden ein angesehenes Gasthaus, ihre Cousins lernten zusammen mit Dieter Trutschel in der Gastronomie - so hatte sie den Schwabacher kennen- und lieben gelernt.

43 Jahre ist das her. Mehr als drei Viertel davon waren „Sternenzeit“. Mit Gästen wie dem alten Herrn, an den sich Petra Trutschel noch gut erinnert. Er war jahrelanger Stammgast, wurde irgendwann dement und büchste immer wieder aus dem Altenheim aus. Einfach, um sich in die Trutschelsche Gaststube zu setzen und fränkisch-badische Gastlichkeit zu genießen. „Inzwischen kommen schon die Kinder unserer ersten Stammgäste. Wir sehen ganze Generationen aufwachsen“, stellt das Ehepaar fest.

Eigens kreierte „Goldmenüs“ und akribische TV-Aufzeichnungen in der „Stern“-Küche; der Trubel zum Bürgerfest; das herzliche Dankeschön nach gelungenen Familienfeiern, bei denen immer wieder die Dekoteile gebraucht wurden, die in diesen Tagen in der Stern-Lounge „vertrödelt“ werden: Ende Februar ist das Vergangenheit. Dann folgt der Umzug aus dem „Stern“ in die eigene Schwabacher Eigentumswohnung - samt nagelneuer Küche, „in der sicher nix fehlt - vom Teryaki-Grill bis zum Thermomix“, gibt Dieter Trutsche mit einem Grinsen zu.

Und was kommt dann? „Dann erstmal nix tun“, antworten der Küchenmeister und die Service-Chefin wie aus einem Mund. Und dann schiebt Dieter Trutschel nach: „Dieses Dine-at-home, also bei privaten Gastgebern zu Hause zu kochen – also das könnte ich mir schon noch vorstellen..." Sprich: als Pächter mögen die Trutschels in den Ruhestand gehen, aber der Kochlöffel kommt mit.

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Ein Ort mit Geschichte

Drinnen wie draußen ein Ort fürs leibliche Wohl: Der "Goldene Stern" im Zentrum von Schwabach.

Drinnen wie draußen ein Ort fürs leibliche Wohl: Der "Goldene Stern" im Zentrum von Schwabach. © Patrick Shaw

Der „Goldene Stern“ wurde wohl schon im Mittelalter als Gasthof geführt. Neben dem goldenen Gasthausschild hat das Haus in seiner Goldschlägerstube einen weiteren Bezug zum Edelmetall: Historische Bedeutung erlangte der „Goldene Stern“ durch den „Tag von Schwabach“, der dort vom 16. bis 19. Oktober 1529 stattfand. Dabei berieten die Städte Nürnberg, Straßburg, Ulm, Augsburg und Nördlingen sowie das Kurfürstentum Sachsen, das Landgrafentum Hessen und das Markgrafentum Brandenburg-Ansbach über die „Schwabacher Artikel“. Diese bilden eine wichtige Grundlage der Confessio Augustana, auf der das evangelisch-lutherische Bekenntnis fußt.

Darin wurden erstmals die Unterschiede zwischen der lutherischen und der zwinglianischen Richtung herausgestellt. Im Jahr 2016 wurde Schwabach von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) offiziell in die Reihe der „Reformationsstädte Europas“ aufgenommen. Das Ehepaar Trutschel übernahm als Gastronomen den „Goldenen Stern im Jahr 1992 und beendet seine Laufbahn dort Ende Februar. Ein Nachfolger ist bereits gefunden: Ex-Clubspieler Christian Eigler. Er will den „Goldenen Stern“ nach einem mehrwöchigen Umbau Mitte 2022 wieder eröffnen.

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