Aus für den Jugendtreff der Ärmsten

26.6.2009, 00:00 Uhr
Aus für den Jugendtreff der Ärmsten

© Ulrich Wallauer-Faderl

Abschiedsschmerz liegt in der Luft: Für manchen Jugendlichen, der mit seiner Familie nun in einen anderen Stadtteil zieht, war der Treff wie ein zweites Zuhause – und wenn die Entfernung nicht zu weit ist, würden etliche auch künftig vorbeischauen.

Wut und Enttäuschung

Leidtragende der drohenden Schließung wären aber die Ärmsten in der Stadt – die Kinder und Jugendlichen aus der unmittelbar angrenzenden Container-Unterkunft für Asylbewerber. Die besteht weiter – und wird womöglich sogar noch ausgebaut. Ihrer Wut und Enttäuschung machen die Jugendlichen mit teilweise recht drastischen Worten Luft. «In den Jugendarrest» werde er gehen, sagt einer, «wenn hier zu ist.»

Die Bemerkung hat einen ernsten Hintergrund: Ehe es den Jugendtreff gab, «haben wir uns beinahe täglich geschlagen, ständig war die Polizei da», erinnert er sich. Dass dies der Vergangenheit angehört, ist dem Ideenreichtum und Engagement des Sozialpädagogen-Teams (zwei weibliche und ein männlicher Mitarbeiter teilen sich zwei Planstellen) zu verdanken.

Geglückte Mischung

Mit einer geglückten Mischung aus offenen und betreuten Angeboten ist es ihnen offenkundig gelungen, den Jugendlichen ein Minimum an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, ihnen Perspektiven für ihre Zukunft zu eröffnen und damit einen Beitrag zu ihrer (politisch teilweise gar nicht erwünschten) Integration zu leisten.

Neben Kicker, Billardtisch und Tischtennisplatte sowie einem Basketballkorb vor dem Haus steht den Jugendlichen ein Computerraum mit sechs PC zur Verfügung. Hier können sie im Internet surfen, für die Schule arbeiten oder Bewerbungen schreiben. Von Montag bis Donnerstag gibt es eine Betreuung bei den Hausaufgaben – mit verbindlicher Anmeldung.

Wissen über Herkunftsländer

Beim gemeinsamen Kochen landestypischer Gerichte ist das Kennenlernen noch wichtiger. An den Wänden der Aufenthaltsräume hängen Siegerurkunden der Quiz-Wettbewerbe, in denen die Kids ihr Wissen über die Herkunftsländer der Kumpels demonstrieren konnten.

«Ohne die Unterstützung von hier würde ich meinen Quali niemals schaffen», ist sich die 15-jährige Hauptschülerin aus Kurdistan sicher, die nicht möchte, dass ihr Name in der Zeitung genannt wird. Andere Besucher des Jugendtreffs finden es cool, dass sie hier selber etwas auf die Beine stellen können.

Viel Eigeninitiative

Turhal (16) aus Aserbaidschan organisiert am liebsten Fußballturniere. Andere, wie der 14-jährige Islan, machen besonders gerne Thekendienst, «weil man dann selber umsonst essen kann». Eigeninitiative und Selbstverantwortung werden großgeschrieben im Club 402. Wer über die Stränge schlägt, muss dafür geradestehen. Der Gebrauch von Schimpfworten oder Kraftausdrücken wird mit zehn Cent Strafe in die Gemeinschaftskasse geahndet. Ist diese voll, gibt es Pizza für alle.

Dass ihnen mit dem Jugendtreff ihre «neue Heimat» nun weggenommen werden soll, können die Jugendlichen nicht verstehen. «Wir dachten, Nürnberg ist die Stadt der Menschenrechte, und die gelten doch nicht nur für Deutsche», meint dazu die 15-jährige Diana aus Eritrea. Einige ihrer Freunde haben sich deshalb ein Herz gefasst und an OB Ulrich Maly geschrieben.

Prölß: Verständnis für Sorgen

In einer ersten Reaktion gegenüber unserer Zeitung äußert Sozialreferent Reiner Prölß Verständnis für die Sorgen der jungen Menschen. Aus Sicht der Stadt sei es eine vordringliche Aufgabe der Asylpolitik, Kindern von Asylbewerbern angemessene Chancen und Perspektiven einzuräumen. Allerdings sehe die Kommune die Regierung von Mittelfranken beziehungsweise den Freistaat Bayern gefordert, die für die Asylbewerber-Unterkunft und deren Bewohner Sorge tragen müssen.

In ersten Gesprächen habe die Regierung ihr grundsätzliches Interesse bekundet, die Räume zu übernehmen. Für den 30.Juni sei deshalb ein Gespräch vereinbart worden. Am Vorabend will sich Prölß den Jugendlichen in der Einrichtung stellen.

Wieder ganz von vorn beginnen

«Wenigstens eine Übergangslösung, bis klar ist, wie es für die Jugendlichen hier weitergehen soll», wünscht sich Mitarbeiterin Silke Renner. Denn «Jugendarbeit ist Vertrauensarbeit - bei einem abrupten Aus müssen andere wieder ganz von vorne anfangen».

Doch nicht nur hinsichtlich des Jugendtreffs drohen den rund 115 Asylbewerbern in den Containern empfindliche Einschnitte. Anna Zippelius, Mitarbeiterin für soziale Einzelfallbetreuung, geht zum 30.Juni in den Ruhestand. Weil das Diakonische Werk Bayern als Träger sie nicht bis zur Klärung der künftigen Regelung weiterbeschäftigen wollte, ist das Büro bis auf weiteres nur an zwei halben Tagen pro Woche besetzt.